Gewitter über Pluto: Roman
Hood.«
»Wieso ausgerechnet dort?«
»Ja was denkst du? Daà wir überall unsere Raumschiffe stehen haben?«
»Aber das ist doch peinlich«, fand ich. »Ausgerechnet von Amerika
aus zu starten. Diesem Astronautenland. â Warum nicht Deutschland? Hier gibtâs
auch einen Himmel und jede Menge Startfenster.«
»Hör auf, so zu tun, als wärst du ein beleidigter Germane.«
»Ich bin ein beleidigter Germane.«
»Na, dann viel Spaà im Weltraum«, höhnte Claire. »Fern vom Land der
Schwaben.«
Ich löste die Verschränkung meiner Arme, beugte mich etwas nach vorn
und sagte, so kräftig ich konnte: »Spar dir deinen Spott. In Wien möchte ich
nicht begraben sein.«
»Es ist aber ziemlich lustig dort.«
»Was tust du dort Lustiges?« fragte ich.
»Ich arbeite für die Unterwelt. Und die Unterwelt für mich.«
»Und das soll lustig sein, sich mit skrupellosen Leuten
zusammentun?«
»Sag nicht, du bist in fünfzig Jahren Erde zum Moralisten geworden.«
Ein Anflug echten Staunens lag in ihrem Gesicht. »Davon abgesehen, daà du erst
kürzlich einen Mann getötet hast. War das nötig?«
»Was stört dich daran?« fragte ich. »Daà es ein Wiener war?«
»Mich stört, daà du die österreichische Polizei aufgeweckt hast.
Aber lassen wir das. Der Schaden hält sich in Grenzen. AuÃerdem bist du
demnächst auf groÃer Reise. Und da sind wir auch schon beim Wesentlichen. Der
Auftrag lautet nicht nur, das Fossil und den Picasso nach Hause zu bringen,
sondern unterwegs diese kleine amerikanische Sonde â New
Horizons , wie sie das Vehikel nennen â abzuschieÃen. Was dir ja sehr
gefallen dürfte. Den Amerikanern weh tun.«
»Ich dachte mir schon, daà etwas in dieser Art geplant ist.«
»Wir können nicht zulassen, daà unsere Wetterstationen auf Pluto
entdeckt werden. So mickrig sie sein mögen. Sowenig sie die Errungenschaften
unserer Kultur widerspiegeln. â Na ja, vielleicht ist es das, worum es geht,
und gar nicht so sehr die Angst unserer Vorgesetzten, daà die Erdenbürger
endlich einmal von uns erfahren. Sondern wenn dies schon geschehen muÃ, dann
bitte nicht wegen ein paar dämlicher Hütten, die auf Pluto herumstehen und die
kümmerliche Existenz von ein paar Wissenschaftlern rechtfertigen. Aber wie auch
immer. Ihr werdet diese Sonde aus dem Verkehr ziehen. Einer deiner Kollegen ist
darüber genau instruiert.«
»Was sind das für Leute, mit denen ich fliege?«
»Ja was denkst du? Agenten wie du. Agenten wie ich.«
»Zwischen dir und mir ist doch wohl ein Unterschied.«
»Welcher?«
»Ich würde gerne hierbleiben und muà fort. Und du⦠Ich denke, du würdest gerne fort und
muÃt hierbleiben.«
Da war ein kleiner Schmerz in ihrem Gesicht. Ein kleines Bluten, das
ich erkannte. Es mochte gut sein, daà Claire in Wien ihren Spaà hatte, aber sie
wollte trotzdem zurück nach X. Sie war elitär, sie war â im wahrsten Sinne des
Wortes â ein Menschenfeind. Sie verachtete diese Leute. Und sie wäre
wahrscheinlich sofort bereit gewesen, Wien und die Wiener zu opfern, um das
Vogelproblem auf X zu lösen. Wäre das denn die Rechnung gewesen.
Ich durfte, und sie durfte nicht. Was für ein Unglück!
Claire schob die metallene Hülse ein wenig näher zu mir hin und
sagte: »Gib gut acht darauf!«
»Auf ein blödes Bild?«
»Das ist ganz sicher nicht blöd.«
»Wenn du es sagst.« Ich nahm das verpackte Gemälde. Es lag so schwer
in meiner Hand, wie eingerolltes Leinen in einer halbwegs robusten Metallröhre
schwer in einer Hand liegt. Dennoch kam mir der Verdacht, daà es gar kein
Picasso war, den ich da dicht verschlossen festhielt. â Ich erhob mich und trat
an die Türe. »Was ist das eigentlich für eine Musik, die du die ganze Zeit
spielst?«
»Webern«, antwortete Claire.
»Ich dachte schon so wasâ¦Zweite Wiener Schule heiÃen die, nicht
wahr? Apropos Wien. Kennst du eine Frau namens Leda? Sie führt eine kleine
Pension in der Nähe von diesem groÃen Rad, auf das die Wiener mindestens so
stolz sind wie auf ihre zwölf Töne.«
»Ja, Frau Leda gehört zu uns.«
»Sieht aber nicht so aus«, sagte ich in einem Ton leisen Triumphs,
»als würde die alte Dame je wieder heimgeholt werden.
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