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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Hood.«
    Â»Wieso ausgerechnet dort?«
    Â»Ja was denkst du? Daß wir überall unsere Raumschiffe stehen haben?«
    Â»Aber das ist doch peinlich«, fand ich. »Ausgerechnet von Amerika
aus zu starten. Diesem Astronautenland. – Warum nicht Deutschland? Hier gibt’s
auch einen Himmel und jede Menge Startfenster.«
    Â»Hör auf, so zu tun, als wärst du ein beleidigter Germane.«
    Â»Ich bin ein beleidigter Germane.«
    Â»Na, dann viel Spaß im Weltraum«, höhnte Claire. »Fern vom Land der
Schwaben.«
    Ich löste die Verschränkung meiner Arme, beugte mich etwas nach vorn
und sagte, so kräftig ich konnte: »Spar dir deinen Spott. In Wien möchte ich
nicht begraben sein.«
    Â»Es ist aber ziemlich lustig dort.«
    Â»Was tust du dort Lustiges?« fragte ich.
    Â»Ich arbeite für die Unterwelt. Und die Unterwelt für mich.«
    Â»Und das soll lustig sein, sich mit skrupellosen Leuten
zusammentun?«
    Â»Sag nicht, du bist in fünfzig Jahren Erde zum Moralisten geworden.«
Ein Anflug echten Staunens lag in ihrem Gesicht. »Davon abgesehen, daß du erst
kürzlich einen Mann getötet hast. War das nötig?«
    Â»Was stört dich daran?« fragte ich. »Daß es ein Wiener war?«
    Â»Mich stört, daß du die österreichische Polizei aufgeweckt hast.
Aber lassen wir das. Der Schaden hält sich in Grenzen. Außerdem bist du
demnächst auf großer Reise. Und da sind wir auch schon beim Wesentlichen. Der
Auftrag lautet nicht nur, das Fossil und den Picasso nach Hause zu bringen,
sondern unterwegs diese kleine amerikanische Sonde – New
Horizons , wie sie das Vehikel nennen – abzuschießen. Was dir ja sehr
gefallen dürfte. Den Amerikanern weh tun.«
    Â»Ich dachte mir schon, daß etwas in dieser Art geplant ist.«
    Â»Wir können nicht zulassen, daß unsere Wetterstationen auf Pluto
entdeckt werden. So mickrig sie sein mögen. Sowenig sie die Errungenschaften
unserer Kultur widerspiegeln. – Na ja, vielleicht ist es das, worum es geht,
und gar nicht so sehr die Angst unserer Vorgesetzten, daß die Erdenbürger
endlich einmal von uns erfahren. Sondern wenn dies schon geschehen muß, dann
bitte nicht wegen ein paar dämlicher Hütten, die auf Pluto herumstehen und die
kümmerliche Existenz von ein paar Wissenschaftlern rechtfertigen. Aber wie auch
immer. Ihr werdet diese Sonde aus dem Verkehr ziehen. Einer deiner Kollegen ist
darüber genau instruiert.«
    Â»Was sind das für Leute, mit denen ich fliege?«
    Â»Ja was denkst du? Agenten wie du. Agenten wie ich.«
    Â»Zwischen dir und mir ist doch wohl ein Unterschied.«
    Â»Welcher?«
    Â»Ich würde gerne hierbleiben und muß fort. Und du… Ich denke, du würdest gerne fort und
mußt hierbleiben.«
    Da war ein kleiner Schmerz in ihrem Gesicht. Ein kleines Bluten, das
ich erkannte. Es mochte gut sein, daß Claire in Wien ihren Spaß hatte, aber sie
wollte trotzdem zurück nach X. Sie war elitär, sie war – im wahrsten Sinne des
Wortes – ein Menschenfeind. Sie verachtete diese Leute. Und sie wäre
wahrscheinlich sofort bereit gewesen, Wien und die Wiener zu opfern, um das
Vogelproblem auf X zu lösen. Wäre das denn die Rechnung gewesen.
    Ich durfte, und sie durfte nicht. Was für ein Unglück!
    Claire schob die metallene Hülse ein wenig näher zu mir hin und
sagte: »Gib gut acht darauf!«
    Â»Auf ein blödes Bild?«
    Â»Das ist ganz sicher nicht blöd.«
    Â»Wenn du es sagst.« Ich nahm das verpackte Gemälde. Es lag so schwer
in meiner Hand, wie eingerolltes Leinen in einer halbwegs robusten Metallröhre
schwer in einer Hand liegt. Dennoch kam mir der Verdacht, daß es gar kein
Picasso war, den ich da dicht verschlossen festhielt. – Ich erhob mich und trat
an die Türe. »Was ist das eigentlich für eine Musik, die du die ganze Zeit
spielst?«
    Â»Webern«, antwortete Claire.
    Â»Ich dachte schon so was…Zweite Wiener Schule heißen die, nicht
wahr? Apropos Wien. Kennst du eine Frau namens Leda? Sie führt eine kleine
Pension in der Nähe von diesem großen Rad, auf das die Wiener mindestens so
stolz sind wie auf ihre zwölf Töne.«
    Â»Ja, Frau Leda gehört zu uns.«
    Â»Sieht aber nicht so aus«, sagte ich in einem Ton leisen Triumphs,
»als würde die alte Dame je wieder heimgeholt werden.

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