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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dämlichen Nobelrestaurants, getroffen von
einer Kugel, die man hinterher nicht einmal richtig würde zuordnen können, und
hauchte sein Leben im Alter von nur sechshundertfünfzehn Jahren aus. Ihm wären
noch gut vierhundert Jahre geblieben, zwar nicht alle mit seiner lieben Frau
Maritta, aber einige schon. – Der Tod ist ein Skandal, hatte irgendein großer
Denker gesagt. War es Canetti gewesen? Oder doch Koestler?
    Â»Wie stellen Sie sich das vor?« fragte Claire Montbard,
während sie sich eine Jacke gegen die blutende Wunde drückte und durch das
gleichzeitige Heben ihres Ellbogens ein vorbeifahrendes Taxi anhielt.
    Lorenz wußte nicht, was Montbard meinte. Er hatte seinen Job erledigt.
Sie war am Leben. Was wollte sie mehr?
    Â»Steigen Sie ein«, kommandierte sie.
    Â»Wieso? Bringen Sie mich nach Hause?« fragte er und stieg zögerlich
in den Wagen.
    Â»Ja, wir holen Ihre Frau ab. Sie wollen doch nicht ohne sie sein,
oder?«
    Â»Nein, natürlich nicht…
Wie soll ich das verstehen?«
    In diesem Moment wandte sich der Taxifahrer um, gewahrte das viele
Blut und wollte bereits nach seinem Funkgerät greifen. Dann aber erkannte er
Claire Montbard. In der Art einer Königin sagte sie: »Fahren Sie endlich, Sie
Depp! Rosmalenstraße.«
    Der Depp fuhr los.
    Â»Sie müssen zu einem Arzt«, mahnte Lorenz.
    Â»Ich weiß. Doch zuerst zu Ihrer Frau«, erwiderte Claire Montbard und
wies Lorenz an, Sera anzurufen. Sie möge schnell das Nötigste zusammenpacken
und sich reisefertig machen.
    Â»Ich begreife immer noch nicht«, beschwerte sich Lorenz.
    Â»Was denken Sie eigentlich?« fragte Claire und wandte sich ihm in
einer altmeisterlichen Pose zu. Statt Mann mit Glas nun Frau mit Blut . »Sie können mich nicht einfach
retten und jetzt meinen, alles wäre in Ordnung. Man wird Ihnen das übelnehmen.
Man wird Sie jagen.«
    Â»Was? Die Wiener Polizei wird mich jagen?«
    Â»Ach ja, das wäre freilich schön, hätten wir nur die Wiener Polizei
am Hals«, spottete Montbard. »Leider ist es sehr viel schlimmer. Aber das werden
Sie kaum begreifen. Es reicht auch fürs erste, wenn Sie mir einfach glauben.«
    Â»Ich hätte Ihnen niemals geholfen, wenn…«
    Â»Hören Sie mit der Heulerei auf. Seien Sie froh, daß ich mich um Sie
kümmere. Seien Sie froh, daß ich nicht sage: Okay, wir sind quitt.«
    Â»Ich war doch bloß ein Gast in diesem Restaurant. Keiner wird sich
überhaupt an mich erinnern.«
    Â»Das ist ein grandioser Irrtum«, versicherte Montbard. »Glauben Sie
mir. Es ist naiv, zu meinen, man könnte einem Killer seinen Job versauen und es
sich danach wieder im Strickwarengewerbe gemütlich machen. – Rufen Sie Ihre
Frau an! Das ist so ziemlich der beste Rat, den ich Ihnen geben kann.«
    Lorenz überlegte einen Moment. Er griff zum Handy und wählte eine
Nummer. Als sich Sera meldete, sagte er: »Pack das Wichtigste zusammen und nimm
unsere beiden Pässe. Ich bin in zehn Minuten da und hol dich ab. Wir fahren in
den Urlaub, noch heute nacht.«
    Sera antwortete im Ton zusammengebissener Lippen: »Ich wußte, daß so
etwas passieren wird.«
    Mehr sagte sie nicht. Denn Sera gehörte zu den Menschen, die sich
ihre Fragen für später aufsparten, wenn wirklich Zeit dafür war. An manchen
Tagen flehte die Zeit geradezu nach Fragen, an denen es dann aber mangelte,
weil sie längst – und zwar unnötigerweise im größten Streß – beantwortet worden
waren. Nein, diese Dummheit beging Sera nicht. Sie legte auf, bat ihre
Schwester, sie alleine zu lassen, und begann zu packen.
    Â»Ich habe dich immer vor diesem Mann gewarnt«, sagte Lou Bilten, die
von einigen Bewunderern, mehr noch von den Neidern, die Schere
Gottes genannt wurde.
    Doch was nützt es, eine Schere zu sein, wenn sich das Gegenüber
gerade als Stein erweist? – Sera nickte und packte weiter.
    Eine viertel Stunde später setzte sie sich vorne in das Taxi, in
welchem hinten ihr geliebter Mann und eine ihre unbekannte blutende Frau saßen.
Selbst jetzt noch stellte sie keine Fragen. Claire Montbard dachte: »Gute Frau,
kann bleiben.«
    Kurz darauf hielt man vor einem Haus, in welchem bereits der von
Claire benachrichtigte Dr. Schubert wartete, ihr Hausarzt. Er hieß nicht nur
Schubert, sondern sah auch so aus. Genial und syphilitisch und gedrungen und
ein wenig

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