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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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nicht gerade wohlriechenden Ausscheidung sinnlos gewordener Werte. –
Als richtiges Spiel wäre das ganz in Ordnung, als Brettspiel oder Kartenspiel
oder Computerspiel. Diese ganze Privatisierung, dieses An-die-Börse-Gehen, wie
Sechzehnjährige sagen, sie würden jetzt endlich mal ins Puff gehen, das könnte
man bestens unterbringen in den virtuellen Welten derjenigen, die ein zweites
Leben leben. Aber wieso es zulassen, daß rotierende Roulettekessel der ganzen
Welt den Kopf abtrennen?)
    Das Bier schmeckte Lorenz, obgleich er ahnte, daß irgendwann auch
aus den Bierflaschen die stinkende Sauce verwesender Wertpapiere dringen würde.
Doch davon wollte er jetzt nichts wissen, wechselte das Programm und war bald
vor dem flachen, an die Wand gepreßten Bildschirm eingeschlafen.
    In seinem Traum war Ostern. Er dachte das zumindest, weil überall
Leute mit bemalten Eiern durch die Gegend liefen, Rieseneiern, die sie wie
Hinkelsteine auf dem Rücken trugen. Es war ein blöder Traum, von der Sorte, bei
der man sagt, so was gibt’s nur im Traum. Gleichwohl verspürte Lorenz eine
würgende Angst: Ebenfalls mit einem solchen Ei beladen, fragte er sich auf
Grund dessen nicht nur beträchtlicher Größe, sondern auch beträchtlicher
Schwere, was sich in diesem Ei befinden könnte. Schokolade? Marzipan? Schwere
Luft? Oder doch etwas sehr viel Unangenehmeres? Denn die fröhliche Bemalung
erschien ihm eher wie ein sarkastischer Kommentar. Als würde man einem Monster
eine Schleife aufs gruselig verbeulte Haupt setzen. Freilich wurde Lorenz bald
klar, worin der Fluch bestand. Nämlich darin, dieses Ei nie und nimmer
abstellen zu können. Denn einmal zu Boden gelassen, würde es auseinanderbrechen
und sich sein ganzer Schrecken offenbaren. Darum also erduldeten Lorenz und die
anderen die Qual, erduldeten es, wie in einem verrückten Comic ihre Ostereier
durch die Gegend zu schleppen und…
    Es klingelte.
    Wie gut, daß es hin und wieder klingelt und man von der blöden
Eiertragerei befreit wird. Allerdings war es ein bleiernes Erwachen, nachdem
Lorenz die ganze Nacht in seinem Sessel zugebracht hatte. Es war auch nicht
sein Wecker, der sich meldete, sondern die Türglocke. Lorenz schlüpfte aus dem
tiefen Möbel – einen Moment überlegend, daß der klassische Schrecken eines
großen Eis vor allem darin bestand, daß man selbst es war, der in diesem Ei zur
Welt kam –, streckte sich sodann zu voller Größe und wechselte in den kleinen
Flur, um die Wohnungstüre zu öffnen.
    Er gehörte nicht zu den Menschen, die durch ein Guckloch sahen,
bevor sie aufmachten. Wer oder was sollte schon vor der Türe stehen? Im
schlimmsten Fall die Polizei. Es war aber nicht die Polizei, sondern die kleine,
alte Dame von nebenan, die tagein und tagaus mit einer weißen Schürze zu sehen
war und welche stets den Geruch von Weihnachtsgebäck verströmte.
    Seit Jahren kam Lorenz regelmäßig in den Genuß, daß ein Teller mit
Zimtsternen, Vanillekipferln, Maroniherzen, Schokotrüffeln, Kokoskugeln, so
liebevoll wie raffiniert verzierten Petits fours, mitunter auch Torten- oder
Strudelstücken, abgedeckt von einer Klarsichtfolie, auf seinem Abstreifer
stand. Zwar hatte er versucht, der freundlichen Nachbarin klarzumachen, daß er
ihre Liebenswürdigkeit durchaus schätze, aber aus Gründen seines
Ernährungsplans den Verzehr von Süßspeisen meide. Doch entweder hatte die gute
Frau ihn nicht verstanden, oder sie hatte ihn nicht verstehen wollen. Wie auch
immer, Lorenz war dazu übergegangen, die Leckereien stets zu seinen
Drehterminen mitzunehmen und dort zu verteilen. Seine Kolleginnen achteten
nämlich sehr viel weniger auf ihre Figur. Man kann überhaupt sagen, daß in der
Pornographie bei weitem nicht so viele gertenschlanke und magersüchtige Frauen
herumlaufen wie etwa in den Modejournalen. Es ist darum auch so wenig zu
verstehen, wieso die meisten Frauen gegen die Pornographie Sturm laufen, sich
aber gleichzeitig den ganzen Vogue- und Madame-Dreck hineinziehen. Geht es
vielleicht gar nicht darum, daß Frauen ein Problem damit haben, reduziert zu
werden? Geht es ihnen vielleicht nur darum, wer sie
reduziert?
    Jedenfalls hatten die Süßigkeiten jener weißbeschürzten Nachbarin
immer den allergrößten Anklang bei den Schauspielerinnen und den Drehleuten
gefunden. Und keinem war begreiflich

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