Gewitter über Pluto: Roman
kommen würden. Gleichzeitig aber durfte die Gemütlichkeit â
sozusagen eine GroÃmütterlichkeit â, die man allgemein mit Strickwaren verband,
nicht verlorengehen. Das GroÃmütterliche muÃte zumindest als Zitat bestehen.
Man könnte auch sagen, ein Geruch von Kölnisch Wasser sollte den Raum
durchwehen. So entstand also etwas, das man als eine Mischung aus klaren,
geometrischen Formen einerseits und einer ornamentalen Verspieltheit
andererseits bezeichnen konnte. Ohne daà es aber irgendwie schwul wirkte. Oder
was man sich halt unter schwul vorstellte. Oder unter Gartenhausstil. Wobei es
natürlich auch so war, daà das Konzept des Raums erst mittels der Präsenz der
Kundschaft wirklich aufgehen würde. Während etwa Galerien und Autohäuser nur
dann gut aussehen, wenn sich kein Mensch in ihnen aufhält, würde es bei einem
Geschäft wie Plutos Liebe umgekehrt sein. Kennt man
das nicht von sich selbst? Man betritt ein Geschäft oder auch eine Bar und
erlebt sich plötzlich als Teil der Einrichtung, genau so, als würde man eine
Lücke füllen. Daraus ergeben sich dann Stammgeschäfte und Stammkneipen. Wenn
Frauen so gerne in Boutiquen herumstehen und Männer so gerne vor einem Tresen
sitzen, dann eben nicht nur aus ModebewuÃtsein und Trunksucht heraus, sondern
besagter Lücken wegen. Es tut gut, sie zu füllen. Zu Hause und in der Arbeit
ist es ja meist anders.
Plutos Liebe sollte ein Ort werden, an dem
jeder Besucher sich wie in das Modell eines Moleküls einfügte. Sodaà im
Idealfall, wenn also alle sich an ihrem richtigen Platz befanden, die Basis für
neues Leben geschaffen war.
Noch aber war man damit beschäftigt, die Regale â Lorenz hatte sich
für Birke entschieden â von der Tischlerei herüberzutransportieren und in dem
mit weiÃer Farbe ausgemalten Raum aufzustellen. Wobei es sich um ein WeiÃ
handelte, das ganz leicht ins Gelb hinüberwankte. Nicht im Sinn einer
nikotinbedingten Patina oder gar hepatitischen Anfälligkeit, sondern so, als
sei das Weià der eigenen Reinheit müde und mache einfach einen winzigen Schritt
Richtung Nachbarschaft, allerdings noch weit entfernt von einer Farbe wie
Strohgelb. Der Parkettboden wiederum besaà eine bläulichgrüne Lasur, die dem
hellen Holz den Eindruck des Transparenten verlieh. Man hatte das Gefühl, als
liefe man über Wasser. Nicht aber tiefes Wasser, kein Ozean, sondern ein Bach,
ein Bächlein, ein Ort der Milde und Demut. Ein Ort zum Dichten, während ja
Ozeane immer nur zu groÃen Romanen herausfordern.
Ach ja, einen Gewerbeschein benötigte Lorenz natürlich auch. Was
sich aber dank gesicherter Finanzierung als einfach erwies. Ãberhaupt befand
man sich in einer Stadt, in welcher deutlicher als anderswo der einzelne Beamte
entschied, was Rechtens war und was nicht. Beziehungsweise wie rasch oder
langsam der Prozeà einer Genehmigung erfolgte. Nicht, daà die Beamten in einem
klassischen Sinn bestechlich waren. Es nützte nichts, ihnen ein paar
Geldscheine hinzustrecken. Auch nicht in einem Kuvert. Sie waren ganz anders
programmiert. Selbstverständlich gab es hier ebenfalls Leute, die die Hand
aufhielten, aber diese fand man eher in den höheren Sphären, wenn es um die
wirklich groÃen Dinge ging. Je unbedeutender indes ein Anliegen war, umso
weniger konnte man einen Beamten auf eine monetäre Weise für sich einnehmen.
Viel wirkungsvoller war es da, einen Namen zu nennen, günstigerweise den
richtigen Namen. Und weil nun Lorenz um solche Eigenheiten der österreichischen
Bürokratie wuÃte, hatte er seinen schriftlichen Antrag bezüglich eines
Gewerbescheins um den mündlichen Hinweis ergänzt, daà die Vorfinanzierung
seines Ladenprojekts einer Dame namens Claire Montbard zu verdanken sei.
Zwar hatte der Beamte in einer betont verärgerten Weise erklärt, daÃ
ihn das nicht interessiere, aber seine Gesichtszüge hatten eine andere Sprache
gesprochen. Der Name Montbard war ja nicht nur in der Unterwelt ein
schillernder, sondern nicht minder in der Oberwelt. Schillernd und gefährlich.
Jedenfalls erwähnte Lorenz diesen Namen mehrmals, um gewisse behördliche
Verfahren zu beschleunigen. Er war überzeugt, daà Frau Montbard erstens davon nichts
erfuhr und daà sie zweitens gar nichts dagegen hatte. Indem sie ihm, Lorenz,
einen Kredit gewährte, gewährte sie ihm
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