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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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einer im Unwetter verunglückten Kirschblüte.
Dann das Geheul erster Sirenen. Es klang, als rufe jemand: Wir leben!
    Auf dem Weg in die Rosmalenstraße wurden Sera und Lorenz noch
nasser, als sie ohnehin schon waren. Und auch am kleinen Paul tanzte das Wasser
hoch.
    Endlich erreichte man das Haus und stieg rasch die Stufen hinauf ins
zweite Stockwerk. Lou Bilten wartete bereits auf dem Gang, das Kind mit ihren
fleischigen Armen in Empfang nehmend. Sie brachte den Jungen ohne Kommentar ins
Badezimmer, wo eine Wanne voll mit warmem Wasser sowie eine Tasse Fencheltee und
eine Gruppe von Robotern aus dem Hause Lego warteten. Lou zog den wehrlosen
Paul mit flinken Griffen aus und hob ihn ins Wasser. Schneller geht es gar
nicht. Ja, wenn Lou wollte, konnte sie so rasch wie effizient sein. Wenn Lou
wollte, war auch das wirkliche Leben für sie ein gekonnter Scherenschnitt.
Ritsch und ratsch und fertig!
    Während Lou Bilten also mit geordneter Rasanz tat, was zu tun war,
standen Sera und Lorenz noch ein wenig im Stiegenhaus herum. Wie man halt so
dasteht, patschnaß, frierend, zudem unschlüssig. Sera hatte gleich neben Lou
ihre eigene Wohnung, nach hinten hinaus, mit Blick auf ihren Dschungel, der
jetzt wohl bißchen zersaust aussah. Lorenz wiederum hatte zwar ein Geschäft in
diesem Haus, mitnichten war dort jedoch eine Dusche installiert. Was übrigens
keine schlechte Idee war. Und genau das sagte er jetzt: »Ich sollte mir im
Laden eine Dusche machen lassen.«
    Â»Sie können ja, wenn Sie wollen, bei mir duschen«, sagte Sera.
»Bevor Sie sich einen Schnupfen holen.«
    Als sei das wirklich ein Problem, ob sich ein Mann erkältet oder
nicht. Mein Gott, der Schnupfen gehört zum Leben. Wie eben auch hin und wieder
ein Gewitter, im Zuge dessen man sich hin und wieder einen Schnupfen einfängt.
Kein Grund jedenfalls, einen Mann in die Wohnung zu lassen und auf eine Dusche
einzuladen.
    Aber Sera machte nun mal dieses Angebot. Und Lorenz wiederum hätte
lieber allen Heiligen einen Korb gegeben, als diese Einladung auszuschlagen.
Freilich: Als man die Wohnung betreten hatte, beeilte er sich zu erklären: »Sie
zuerst.«
    Â»Was? Damit Sie sich erst recht erkälten? Da hätte ich Sie ja gar
nicht hereinbitten müssen.«
    Â»Und Sie? Sie sind nicht weniger naß.«
    Â»Ich bin robust«, versicherte Sera, die hellhäutig und blauhaarig
Schlanke.
    Â»Ich bin auch nicht aus Papier«, entgegnete Lorenz.
    Â»Also, bevor wir uns streiten, wer hier wem das Leben retten darf,
und wir nachher beide krank sind, würde ich vorschlagen…«
    Â»Was?«
    Â»Wir könnten gemeinsam duschen«, meinte Sera.
    Mein Gott, wie schön sie das sagte! Es klang wie ein Gedicht. Ein
gutes Gedicht. Wie man manchmal auch ein Essen als ein Gedicht bezeichnet.
    Andererseits war das jetzt eine durch und durch pornographische
Ausgangssituation, wie Lorenz sie eigentlich hätte meiden müssen, um nicht an
sein altes Leben erinnert zu werden. Doch wozu hätte er Verzicht üben sollen?
Um einen besseren Moment abzuwarten? Einen weniger pornographisch angehauchten?
Bessere Momente waren wie lebende Fossilien: eher unwahrscheinlich.
    Darum sagte Lorenz jetzt mit derselben Entschlossenheit, mit der vielleicht
ein christlicher Märtyrer »Nein« gesagt hätte: »Ja.«
    Â»Gut«, erklärte Sera und ging voraus.
    Lorenz überlegte, was in einer solchen Situation das Wort »gut«
alles bedeuten konnte. Nun, das würde sich bald herausstellen.
    Durch einen langen Flur, in dem gerahmte Schwarzweißfotos von
Hochzeitspaaren hingen, ging es links ins Badezimmer. Ein wenig hatte Lorenz
eine dieser todschicken, großzügig proportionierten Naßzellen erwartet, die
aussahen, als wollte man darin eine ganze Gruppe von Pinguinen einquartieren.
Und wo also zwei Menschen zur gleichen Zeit duschen konnten, ohne in eine
ungebührliche Nähe zu geraten. Doch dies war hier keineswegs der Fall. Der
kleine Raum war mit alten, vergilbten Kacheln ausgekleidet und lag im schwachen
Licht einer Schrankleuchte. Die ebenfalls gekachelte Badewanne war nicht viel
länger als ein Gitterbett. Von einer leicht geknickten Metallstange hing ein
zur Seite geschobener, durchsichtiger Duschvorhang. Obgleich es im Grunde ein
sauberer Raum und nirgends Schimmel zu erkennen war, herrschte das für
Parasiten und Pilzwuchs typische Klima. Dampfig. Es roch nach lebenden

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