Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
österreichische Polizistin in deutschen Diensten, in Russisch-Fernost
vermißt wurde. Auch darum war es nicht wirklich schlimm, daß Stavros so selten
zu Hause war. – Es ist schon klar, daß in unserer heutigen Zeit die Bedeutung
der Väter für ihre kleinen Kinder hochgehalten wird. Wieso eigentlich? Weil die
Zärtlichkeit der Frauen nicht ausreicht? Weil Männer besser im Wickeln sind?
Weil niemand so gut ein aufgeblähtes Bäuchlein massieren kann wie ein liebender
Papa? Was für ein Unsinn! Männer können mit Kleinkindern nicht umgehen, das ist
ein Faktum. Frauen, die meinen, ihren Männern ihre Babys überlassen zu müssen –
nur, um sich nicht ausgenutzt zu fühlen –, sind darum Rabenmütter zu nennen,
weil sie ihr ideologisches Bedürfnis oder auch nur ihre Faulheit über die
Sicherheit des Kindes stellen. Eine gute Mutter vertraut ihr Kind nicht einem
Kerl an, der vielleicht eine Bowlingkugel halten kann, einen Queue, sogar noch
eine zarte Schachfigur, aber sicher keinen Säugling. Sosehr sich selbiger Kerl
vielleicht auch bemühen mag. Oder so tut, als ob er sich bemüht. Er ist und
bleibt in dieser Hinsicht ein Bauer. Bei einem fünfjährigen, sechsjährigen Kind
ist es dann sofort etwas anderes. Mit ihm kann der Mann Hand in Hand über die
Straße gehen, Seite an Seite ins Schwimmbecken springen, in die nächste
Schlammpfütze oder was auch immer. Frauen sollen Präsidentinnen werden oder
Polizistinnen oder irgendeinen Krieg anführen, wenn sie unbedingt wollen, aber
sie sollten ihre Babys nicht einem Mann überlassen.
    So gesehen hatte es Leon ziemlich gut. Er wurde von zwei Frauen
bestens betreut. Und wenn er hin und wieder seinen Vater sah, war das natürlich
in Ordnung, aber kaum von Bedeutung. Dafür war später auch noch Zeit. Es gibt
nämlich Mutterzeiten und Vaterzeiten.
    Â»Er fühlt sich wirklich wohl bei Sarah«, vermeldete Inula.
»Schreit kaum mehr. Wie damals bei Lilli. Unser Sohn scheint was für diese
Steinbecks übrig zu haben.«
    Â»Und du?« fragte Stavros. »Wie geht es dir?«
    Â»Die Hitze zur Zeit ist unerträglich. Wobei das Gute an der Hitze
ist, daß sie nicht weniger unerträglich wäre, wenn du bei mir wärst.«
    Â»Aber ich gehe dir schon ab, oder?« köderte Stavros.
    Â»Was magst du hören?« Inula hob ihre Stimme an. »Nimmst diesen
dummen Job an und willst jetzt, daß ich vor Sehnsucht vergehe.«
    Â»Davon redet niemand.«
    Â»Wovon sonst? Oder soll ich dir vielleicht erzählen, daß ich morgen
ein Rendezvous habe? Weil ich mich gar so einsam fühle.«
    Â»Das ist jetzt aber ein dummer Scherz, oder?« zeigte sich Stavros
unsicher. Das war nicht neu. So gutaussehend er war, sosehr er seit Jugendtagen
immer nur den Beifall der Damenwelt empfangen hatte, so schwach fühlte er sich
in bezug auf Inula. Das war es ja gewesen, was ihn so an ihr angezogen hatte.
Diese gewisse Kälte und Unnahbarkeit. Vor allem jedoch das Gefühl der eigenen Verletzlichkeit,
das Inula bei ihm auslöste. Er war sich ihrer nicht wirklich gewiß, würde es
nie sein. Darunter litt er. Gleichzeitig steckte in diesem Leiden ein guter
Geist. Ein Geist, der seine Liebe zu ihr ewig erhalten würde. Manche Menschen
brauchen das. Manche Menschen brauchen Berge, deren Gipfel sie niemals
erreichen.
    Â»Mein Gott«, sagte Inula, »wo soll ich schon einen Mann
kennenlernen?«
    Aber das stimmte nicht. Sie hatte wieder zu arbeiten begonnen.
Halbtags in einem Architekturbüro.
    Â»Deine Kollegen würden sicher gerne…«
    Â»Die reden mir zuviel«, bekannte Inula.
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Wie soll ich das denn meinen? Wie ich es sage.«
    Für Stavros hatte es freilich geklungen, als würde sich Inula an der
Geschwätzigkeit dieser Männer nur darum stören, weil ihr ein charmanter Flirt
mehr lag denn ein angeberischer Vortrag über schematisierte Geometrie im
Industriebau. Gut, so war es wohl auch. Keine andere Disziplin erwies sich
derart als ein Hort von jeglichem Charme befreiter Männer wie die Architektur.
Warum das so war, konnte niemand sagen. Denn die Architektur an sich war ja
nicht uninteressant. Aber offensichtlich steckten Architekten alles
Interessante in ihre Häuser hinein. So, daß für sie selbst nichts mehr
übrigblieb.
    Â Â»Ich wollte eigentlich nur
sagen«, erklärte

Weitere Kostenlose Bücher