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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Profession betrieben, ihren privaten
Geschlechtsverkehr wirklich ernst nahmen. Etwa die Prostituierten, die jedem,
der dafür bezahlte, sagten, wie unglaublich gut er sei. Und die doch wohl kaum
noch in der Lage waren, es einmal auch tatsächlich so zu meinen. – Nun, das war
die Sicht eines Laien, die Stirling da vertrat. Und eigentlich hätte ihm
auffallen müssen, wie perfekt und anmutig das wirkte, was dort drüben geschah.
Etwas, das genau in der Mitte lag zwischen den Affektationen eines Pornos und der
traurigen Wirklichkeit grober Ungelenkigkeit und schneller Schüsse. Er hätte es
nicht nur sehen, sondern auch hören müssen, wie hier zwei Menschen ihrer
Leidenschaft Töne verliehen, die ebenfalls jene goldene Mitte bedienten. Es
waren Töne, die das, was die beiden taten, weder dramatisierte noch
abschwächte. Töne in der Art kleiner Hilferufe. Hilferufe wie bei Kindern, die
spielen und deren Hilferufe sich nicht aus einer Not, sondern einer Freude am
Rufen begründen.
    Doch worauf Stavros Stirling sich jetzt konzentrierte, war etwas
ganz anderes. Er dachte an den Stein in seiner Sakkotasche. Die merkwürdige
Struktur darauf, vor allem aber die Numerierung. Er nahm sein Auge vom Okular,
drehte die Lautstärke des Aufnahmegeräts etwas leiser und setzte sich hinüber
an den Tisch, wo der obligate Laptop stand. Er klinkte sich in die Welt
saftiger grüner Kuhwiesen ein und suchte nach Entsprechungen für die
Ziffernfolge 134340.
    So ergab sich eine Folge von Mausklicken, was freilich weniger nach
Maus klang, eher nach der steten Benutzung einer Nagelzwicke.
    Was hatte Stirling sich erwartet? Daß jemand auf die Idee gekommen
war, den Code des eigenen Tresors ins Internet zu stellen?
    Nun, ganz so absurd war das nicht. Und doch mußte Stirling mit
einigem Erstaunen feststellen, daß sämtliche Eintragungen, die sich auf seinem
Bildschirm zeigten, ein und dasselbe Thema hatten: die Kleinplanetennummer des
Planeten Pluto. Beziehungsweise bestand diese Nummer ja allein deshalb, weil Pluto
eben kein Planet mehr war und man ihm genau aus
diesem Grund eine solche Nummer verabreicht hatte. Was ganz typisch war:
Entweder war man ein Individuum mit einem richtigen Status, oder man war eine
bloße Nummer und der eigene Status eine reine Karikatur. So war das. Sogar im
Weltall.
    Â»Ich werde mit ihm reden. Ja, das tue ich.«
    Es war die Stimme Lorenz Mohns, die Stirling aus seinen Gedanken
bezüglich eines Planeten, der keiner mehr war, herausriß. Er schob sich auf den
Rollen des Bürostuhls wieder hinüber zum Aufnahmegerät und stellte den Ton
lauter.
    Â»Und worüber?« fragte Sera.
    Â»Ãœber die Postkarte. Daß ich sie eingesteckt habe. Ich glaube,
dieser halbe Engländer oder halbe Grieche ist ein vernünftiger Mann. Sicher, er
muß seinen Job machen. Doch er gehört nicht zu denen, die in der Not auch einen
Unschuldigen nehmen, wenn sie keinen Schuldigen bekommen können.«
    Â»Paß nur auf, daß du keine schlafenden Hunde weckst«, mahnte Sera.
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»So ist das oft, daß jemand sich für unschuldig hält. Umsomehr er
aber in einer Geschichte herumkramt, in der Vergangenheit wühlt, umsomehr
erkennt er seinen Anteil an der Schuld.«
    Â»Da kannst du schon recht haben«, sagte Lorenz. »Trotzdem. Ich werde
Stirling von dem Vogel erzählen.«
    Â»Du mußt wissen, was du tust.«
    Â»Wenn ich…nach Solnhofen fahre, kommst du dann mit?«
    Â»Nein«, sagte Sera. »Ich will meine Kunden nicht alleine lassen.«
    Â»Nicht mal eine halbe Woche?«
    Â»Ein Heiratsinstitut ist eine Art Tierheim. Man kann nicht einfach
weggehen und die Tiere ein paar Tage nicht füttern.«
    Â»Das ist ein komischer Vergleich«, fand Lorenz.
    Â»Das ist richtiger Vergleich«, erwiderte Sera. »Und jetzt gib
Frieden und leg dich her.«
    Stirling sah ein letztes Mal durch das Fernrohr. Er konnte
erkennen, daß Lorenz seinen Kopf auf Seras Brust gebettet hatte. Sera wiederum
legte eine Hand auf Lorenz’ Scheitel ab. Auf diesem Handrücken plazierte nun
auch Lorenz seine fünf Finger. Nette Stapelung! Als würden ein paar
Schalentiere die Bremer Stadtmusikanten imitieren.
    Stirling beschloß, die Observation abzubrechen. Er zog die Kabel aus
den Geräten, fügte das Fernglas, die Kamera, die Antenne, die Aufnahmegeräte in
die Einbuchtungen der Koffer

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