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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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und tat dies alles mit der größten Fürsorge. Ein
wenig wie man sich vorstellt, daß Killer ihre Waffen nach getaner Arbeit ohne
jede Eile auseinandernehmen und einpacken, um sodann im Stil eines
Handelsvertreters das Gebäude zu verlassen. Und genau so sah es ja auch aus,
als Stirling wenig später auf die Rosmalenstraße trat, schwer bepackt, um hinüber
zur Kirche zu gehen, hinter der sein Auto geparkt stand.
    Dort angekommen, verstaute er die Koffer. Doch bevor er in den Wagen
stieg, blickte er hinauf in den Nachthimmel, der ein überaus klares, ja für
städtische und sommerliche Verhältnisse geradezu unwirklich scharfes Bild bot.
Ein weihnachtliches Weltall.
    Und irgendwo da draußen lag also 134340 und zog seine ewig lange
Bahn. Ein Zwerg auf Umwegen.
    Als am nächsten Vormittag Lorenz Mohn das Büro von Stavros
Stirling betrat und eine Karte auf den Tisch legte, sagte Stirling: »Ein
Archaeopteryx, na und?«
    Â»Meine Güte!« staunte Lorenz. »Sie sind aber ganz schön gebildet.«
    Stirling genierte sich ein wenig. Vor Gott. Denn er glaubte an Gott,
an einen allseits präsenten Gott, der unsere kleinen und großen Lügen
registrierte und daraus ein Bild strickte, das einst auf uns zufallen würde.
Darum sagte er jetzt: »Reiner Zufall.«
    Erklärte das jedoch nicht weiter, sondern drehte die Karte um und
las den kurzen Satz. Dann blickte er zu Lorenz auf und fragte: »Und?«
    Lorenz berichtete, die Karte von der Pinnwand genommen zu haben. Er
wisse, daß das ein Fehler gewesen sei. Aber irgendeine Macht habe ihn dazu
gezwungen…
    Â»Eine Macht?«
    Â»Kommt es Ihnen nicht manchmal vor, daß wir alle nur Figuren in
einem Buch sind? Daß die Dinge, die wir tun, eben auch die sinnlosen – nein gerade die sinnlosen – einer Dramaturgie entsprechen?«
    Â»Na, dann will ich mal hoffen«, sagte Stirling, »daß wir uns in
einem guten Buch befinden.«
    Â»Es wäre echte Freiheit«, sagte Lorenz, »sich genau das aussuchen zu dürfen.«
    Â»Aber so läuft es nicht.«
    Â»Nein, so läuft es nicht.«
    Â»Na, wenigstens gibt es in diesem Roman guten Kaffee«, meinte
Stirling, griff zum Telefon und gab jemand Anordnung, hinüber zur Aida zu gehen
und zwei große Braune zu holen.
    In den zehn Minuten, die es dauerte, bis der Kaffee kam, sprach man
über Privates, damit einer den anderen besser einschätzen konnte. Das war zwar
so, als würde bei einer Analyse auch der Analytiker sein Leben ausbreiten, aber
warum nicht? Mohn und Stirling spürten wahrscheinlich, daß sie in der nächsten
Zeit miteinander verbunden sein würden. Verbunden durch Gott, wie Stirling in
Abkehr zur eigentlichen Bedeutung es ausgedrückt hätte. Während Mohn gesagt
hätte, verbunden durch einen Roman.
    Als der Kaffee kam, ließ man das Private hinter sich und wechselte
zum Archaeopteryx. Stirling erklärte, daß dieselbe Macht, die ihn dazu
verleitet hatte, die Karte von der Pinnwand zu nehmen, ihn nun dazu dränge, den
Ort Solnhofen aufzusuchen, dort, wo sich das originale Fossil befinde.
    Â»Warum denken Sie, daß Sie das weiterbringt?« fragte Stirling.
    Â»Das denke ich gar nicht. Ich denke nur, daß ich es tun muß. Wie man
sagt, man möchte einmal auf Hawaii gewesen sein, so sage ich, ich möchte einmal
diesen Vogel gesehen haben.«
    Â»Solnhofen liegt nicht gerade um die Ecke.«
    Â»Immerhin näher als Hawaii. – Sehen Sie, ich bin hier, um zu fragen,
ob Sie mich weiterhin verdächtigen. Wenn nicht, dann werde ich diese Reise
machen.«
    Â»Ich habe Sie nie verdächtigt«, erklärte Stirling. »Doch Sie stecken
nun mal in dieser Geschichte drin, und zwar beträchtlich. Sie können das noch
nicht wissen, aber unsere Leute vom Labor haben festgestellt, daß der Brief mit
der Drohung an Sie mit größter Wahrscheinlichkeit von Herrn Nix stammt. Damit
haben wir jetzt sogar so etwas wie ein Motiv. Gleichwohl kein zwingendes, wie
ich gern gestehe. Vor allem darum nicht, weil Sie uns diesen Brief ja selbst
ausgehändigt haben. Wären Sie der Täter, müßten Sie ganz schön dumm sein. Oder
ein kleiner Masochist. Und beides glaube ich nicht.«
    Â»Danke.«
    Â»Oder Sie müßten auf eine für mich unnachvollziehbare Weise
raffiniert sein. Aber auch das glaube ich nicht.«
    Â»Soll ich jetzt beleidigt sein?« fragte

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