Gewitter über Pluto: Roman
Popularität
von Saurierfilmen, ich meine nicht nur âºJurassic Parkâ¹ und so, selbst die wissenschaftlichen
Dokumentationen und Animationen. Ich sage immer, Saurierfilme sind wie
Sexfilme.«
Lorenz Mohn zuckte ein wenig.
Rorschach schenkte Wein in die drei Gläser und erzählte, daà er Nix
bei einem Symposium in Wien kennengelernt habe. »Ein ausgezeichneter Mann.
Leider ziemlich besessen, wie viele Laien. Er hat davon geträumt, etwas
AuÃerordentliches zu entdecken, nicht bloà die üblichen Käfer und Würmer und Flossen,
alten Kot und alte Eier â oder sagen wir so, wenn schon Eier, dann Eier, die
unser ganzes bisheriges Denken auf den Kopf stellen. Das ist typisch für Laien.
Ihnen fehlt die Trägheit der Profis, deren Ehrgeiz dadurch befriedigt wird, daÃ
sie Lehrstühle besetzen, Institute leiten, Buch um Buch veröffentlichen,
Gehälter beziehen, Pensionen, Ehrungen. Laien hingegen sind Umstürzler. Sie
wollen die Welt verändern, weil sie die Welt, die ihnen nicht zuletzt
Lehrstühle und Institutsleitungen verwehrt, hassen. Sie wollen etwas entdecken,
was die verhaÃte Welt zur Explosion bringt.«
»Und wie wollte Nix die Welt sprengen?« fragte Stirling.
Rorschach antwortete: »Er dachte an die Intelligenz. An eine
kognitive Intelligenz, wie wir sie heute definieren, bloà daà er meinte, sie
hätte sehr viel früher bestanden als angenommen. Eine animalische Intelligenz
lange vor der menschlichen. Ich will es einmal ganz drastisch ausdrücken: Nix
war auf der Suche nach einem versteinerten Gehirn. Nur daà Gehirne halt leider
nicht zur Fossilisation neigen. Aber etwas in dieser Art hatte er wohl im Sinn.
Er wollte den Umstand einer prähistorischen Vernunftbegabung beweisen. Was
verständlicherweise nicht so gut angekommen ist. Man hat Nix vorgeworfen, unter
einem Däniken-Syndrom zu leiden. Andererseits hat Nix aber auch konventionelle
Arbeit geleistet, ganz ausgezeichnete Arbeit, und damit gezeigt, daà er kein
reiner Spinner ist. Das sind freilich die Schlimmsten, diese Leute, die man
einerseits ernst nehmen muÃ, anderseits für verrückt hält. Trotzdem, ich konnte
ihn ganz gut leiden.«
»Es heiÃt, er hätte Sie einmal öffentlich beschimpft«, zeigte sich
Stirling erstaunlich gut informiert.
»Er hat einen jeden von uns einmal öffentlich beschimpft. Manche
ärgert so was, andere nicht. Sehe ich so aus, als würde es mich aus der Bahn
werfen, von einem Mann verunglimpft zu werden, welcher â vergessen Sie das
nicht â sein Leben als Bäcker gefristet hat?«
»Das klingt jetzt recht hochmütig.«
»Mag sein. Doch es ist nun mal ein Unterschied, wer Sie attackiert. Ein anerkannter Kollege oder ein als verrückt verschriener
Laie.«
»Das hat natürlich etwas für sich«, gab Stirling zu und erkundigte
sich sodann nach der Bedeutung des Archaeopteryx.
»Bedeutung für wen?«
»Für Nix.«
»Ich denke, er mochte den Vogel. Er mochte diese ganze Gegend hier.
Welcher Paläontologe nicht? Trotzdem glaube ich kaum, daà er gehofft hat, über
diesen Vogel an sein gesuchtes Gehirn zu gelangen.«
»Wie wörtlich soll ich das mit dem Gehirn nehmen?« wollte Stirling
wissen.
»Nun, Nix hatte wohl eher ein Artefakt im Sinn, welches die Existenz
jener frühen Intelligenz belegen würde.«
»Eine versteinerte Laserpistole?«
»Vielleicht nicht ganz so dramatisch, lieber Kommissar. Aber dochâ¦etwas
in dieser Art.«
Stirling dachte an den Stein, den er in Nixâ Werkstätte an sich
genommen hatte und welchen er, in eine kleine Umhängetasche gepackt, noch immer
mit sich führte. Er holte das Objekt von der GröÃe einer Kinderhand aus dem
Beutel und legte es neben die Archaeopteryxkarte auf den Tisch.
»Was ist das?« fragte Rorschach.
»Das würde ich gerne von Ihnen erfahren.«
Rorschach beugte sich zu dem Stein hin, berührte ihn vorsichtig,
drehte ihn um, registrierte die sechsstellige Zahlenreihe und fragte Stirling,
von wo er das herhabe.
»Vom Tatort. Zumindest vom Fundort der Leiche. Dem Arbeitsraum des
Herrn Nix. Eine Art Bunker.«
»Merkwürdiges Ding«, kommentierte Rorschach. »Sieht künstlich aus.
Eine symmetrische, geordnete, sich wiederholende Struktur. Sehen Sie, es ist
ein richtiges System von parallel geführten Gruppen von Linien, die
Weitere Kostenlose Bücher