Gezaehmt im Bett einer Lady
denn mit dieser Berührung hatte Susannah ihn an Land gezogen. Sie hatte ihn in ihre Welt geholt - die gute Gesellschaft die er vor Jahren zu meiden gelernt hatte, weil er dort nur in die Richtung einer jungen Dame blicken musste, um zu sehen, wie ihr Teint äschern wurde und ihre Anstandsdamen an den Rand eines hysterischen Anfalls gerieten. Die einzigen Mädchen, die mit ihm jemals getanzt hatten, waren die Schwestern seiner Freunde, und das war eine lästige Pflicht, die sie so rasch wie möglich hinter sich brachten.
Aber nicht Susannah. Sie konnte nicht tanzen, weil sie in Trauer war, aber sie konnte sich unterhalten, und das tat sie; sie schaute ihn an, als sei er ein Ritter in schimmernder Rüstung, Sir Galahad höchstpersönlich.
Nach vier Monaten wurde es ihm gestattet, ihre behandschuhte Hand zwanzig Sekunden zu halten. Er benötigte weitere zwei Monate, um den Mut zu fassen, sie zu küssen.
Im Rosengarten ihres Onkels hatte der ritterliche Held einen züchtigen Kuss auf ihre Wange gedrückt.
Beinahe im selben Moment, wie aufs Stichwort, war eine Schar kreischender Frauen - Mutter, Tanten, Schwestern - aus den Büschen in der Nähe gesprungen. Das Nächste, was er wusste, war, dass er sich in der Bibliothek mit Susannahs Onkel befand, der gestreng von ihm verlangte, seine Absichten zu erklären. So naiv und vernarrt war er gewesen, dass er sie als ehrenhaft erklärt hatte.
Im nächsten Augenblick hielt er einen Stift in der Hand und einen gewaltigen Haufen Papiere vor sich, die zu unterschreiben von ihm verlangt wurde.
Selbst jetzt noch konnte Dain nicht sagen, wo oder wie er die Geistesgegenwart gefunden hatte, sie zuerst zu lesen. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass er zwei Befehle hintereinander zu hören bekommen hatte und dass er es so gar nicht gewohnt war, irgendwelche Befehle zu bekommen.
Was auch immer der Grund war, er hatte den Stift weggelegt und zu lesen begonnen.
Er entdeckte, dass im Gegenzug für das Vorrecht, die errötende Rosenknospe zu ehelichen, es ihm gestattet werden würde, alle Schulden ihres verstorbenen Bruders zusammen mit denen ihres Onkels, ihrer Tante, ihrer Mutter und ihre eigenen zu zahlen, jetzt und in alle Ewigkeit, bis dass der Tod uns scheide, Amen.
Dain war zu dem Entschluss gelangt, dass das eine verdammt dumme Investition sei, und hatte diese Überzeugung auch ausgesprochen.
Er wurde mit ernster Miene darauf hingewiesen, dass er ein unschuldiges Mädchen aus guter Familie kompromittiert habe.
„Dann erschießen Sie mich doch“, hatte er erwidert. Und war gegangen.
Niemand hatte versucht, ihn zu erschießen. Wochen später, längst wieder zurück in Paris, hatte er erfahren, dass Susannah Lord Linglay geheiratet hatte.
Linglay war ein fünfundsechzig Jahre alter Lebemann, der gerne Rouge auflegte und wie neunzig aussah, obszöne Schnupftabakdosen sammelte und jedes Dienstmädchen, das unvorsichtig genug war, in Reichweite seiner altersfleckigen Hände zu kommen, kniff und begrapschte. Man hatte nicht damit gerechnet, dass er die Hochzeitsnacht überlebte.
Aber er hatte sie nicht nur überlebt, es war ihm auch gelungen, seine junge Braut zu schwängern, was er künftig in rascher Folge wiederholte. Sie hatte kaum ein Kind zur Welt gebracht, da wuchs schon das nächste in ihrem Bauch heran.
Lord Dain stellte sich gerade in allen Einzelheiten vor, wie seine frühere Angebetete in den Armen ihres angemalten, altersschwachen, schwitzenden und sabbernden Gemahls lag, als in der Ferne die Glocken von Notre-Dame zu läuten begannen.
Er merkte, dass sie weiter entfernt klangen, als sie sein dürften, wenn er sich auf der Rue de Rivoli befand, wo er lebte und nun eigentlich sein müsste.
Dann sah er, dass er in der falschen Straße war, in der völlig falschen Gegend.
Sein verblüffter Blick fiel auf einen vertraut aussehenden Laternenpfosten.
Seine Laune, die sich erheblich gebessert hatte, während er sich Susannahs Fegefeuer auf Erden ausgemalt hatte, sank unverzüglich wieder und zog ihn mit nach unten.
Berühr mich. Halte mich. Küss mich.
Er ging um die Ecke in die dunkle schmale Straße, wo die fensterlosen Mauern alles sehen und nichts weitererzählen konnten. Er presste seine Stirn gegen den kalten Stein und erduldete es, weil ihm keine andere Wahl blieb. Er konnte nicht aufhalten, was sich in ihm wand und schmerzte.
Ich brauche dich.
Ihre Lippen an seinen ... ihre Hände, die ihn festhielten. Sie war weich und warm, und sie schmeckte nach
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