Gezähmt von sanfter Hand
»Es ist doch ganz offensichtlich, dass das ein Lebemann und Herumtreiber ist, wie er im Buche steht, und sich bloß auf unsere Kosten amüsiert. Selbst Mary macht sich schon keine großen Hoffnungen mehr und meint, dass er letztendlich nicht mitspielen wird und nach London zurückkehrt. Sie glaubt, dass er nur aus Höflichkeit so tut, als wolle er sich die Sache noch einmal überlegen.«
Catriona versteifte sich unwillkürlich. »Ach wirklich?«
Algaria verzog spöttisch die Lippen und tätschelte Catrionas Hand. »Kein Grund, gleich beleidigt zu reagieren, schließlich ist das doch genau das, was auch wir wollen.« Damit ging Algaria die Treppe hinunter. »Dass er dich in Ruhe lässt und einfach verschwindet.«
Catriona starrte auf Algarias Hinterkopf und gab lediglich ein, wie sie hoffte, zustimmend klingendes »Hmm« von sich – doch irgendwie hatte sich darin ein Quäntchen Enttäuschung eingeschlichen. Krampfhaft bemüht, diesem Gedanken nicht weiter Beachtung zu schenken, schritt sie schwungvoll aus und marschierte entschlossen auf ihr Zimmer zu.
In wenigen Minuten hatte sie ihr Reitkostüm angezogen: eine eng anliegende Jacke und einen weiten Rock aus smaragdgrünem Stoff – hübsch, doch nicht sonderlich warm, sodass Catriona nochmals ihren Kleiderschrank nach ihrem altmodischen, pelzverbrämten Umhang durchstöberte. Ihr Haar dagegen war ein echtes Problem – schließlich flocht sie es zu Zöpfen, die sie um ihren Kopf schlang und mit Nadeln feststeckte.
»Das hätten wir!« Zufrieden, dass sich ihr Haar nun nicht mehr lösen konnte, legte sie ihren Umhang um die Schultern und schritt zur Tür.
Die Ställe lagen nebeneinander zwischen dem Haupthaus und der Anhöhe; dort waren sie vor den unablässigen Windböen und, zumindest im Augenblick, vor dem Schneegestöber geschützt. Es war ein trüber Tag, doch die Wolkendecke war noch zu dünn, um Catriona von ihrem Vorhaben abzubringen. Sie war es gewohnt, bei jedem Wetter auszureiten. Die Landschaft war wie von einem grauen Schleier überzogen, jedoch war die Sicht noch ausreichend, und die tief hängenden Wolken hielten die Temperatur über dem Gefrierpunkt. Während sich auf den freien Feldern bereits eine Schneedecke gebildet hatte, waren die Feldwege und Pfade nicht sehr stark vereist.
Alles in allem genau der richtige Tag für einen Ritt durch die Trossachs. Auf dem Rücken eines kräftigen Fuchswallachs ritt Catriona aus dem Stallhof in Richtung Wald. Während ihres letzten Aufenthalts in diesem Hause war sie oft ausgeritten, um dem Durcheinander im Inneren des Gemäuers zu entkommen. Sie hatte die Wege noch gut in Erinnerung. Der Pfad, den sie nun einschlug, schlängelte sich zunächst ein Stück zwischen den Birkenbeständen hindurch, bis er anschließend auf einen weiteren Reitweg traf, der zum Gipfel hinaufführte. Catriona freute sich auf einen schnellen Galopp über die unbewachsene Kuppe des Keltyhead und trieb ihr Pferd weiter aufwärts.
Als sie aus dem Wald auf den normalerweise recht stürmischen Bergkamm hinausritt, breiteten sich vor ihr die Highlands aus. Die kalte Brise war abgeflaut und das starke Schneegestöber hatte aufgehört. Catriona atmete einmal tief durch, während sie den Blick über das weitläufige Panorama gleiten ließ. Unmittelbar vor ihr erstreckte sich einladend eine spärlich mit Berggras bewachsene Ebene – nun konnte sie nichts mehr halten. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem übermütigen Jauchzer trieb sie ihren Braunen zu einem Kanter an und glitt dann flüssig in einen gestreckten Galopp über.
Mit beißender Frische sauste die Luft an ihr vorbei. Sie peitschte Catrionas Wangen und zerrte an ihren Zöpfen. In Hochstimmung und eins mit ihrem Pferd donnerte sie über die brachliegende Ebene, vollkommen eingetaucht in die Stille um sie herum.
Catriona war bereits über die Hälfte des Feldes galoppiert, als plötzlich schwerer Hufschlag und ein Wiehern die Stille zerrissen. Als sie sich umblickte, sah Catriona am Waldrand eine vertraute Gestalt auf dem Rücken eines schwarzen Pferdes, die zu ihr hinüberstarrte. Dann löste sie sich aus den Schatten des Waldes, und der Rappe unter ihr schritt kraftvoll aus – mit der eindeutigen Absicht, ihr den Weg abzuschneiden.
Catriona stockte der Atem, dann wandte sie hastig den Kopf nach vorn und trieb ihr Pferd an. Zur Hölle mit dem Kerl! Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Um ihre Lippen spielte ein Lächeln – ein Spiegelbild der
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