Gezeiten der Begierde - Jordan, N: Gezeiten der Begierde - To tame a dangerous lord/Courtship-Wars 5
in einem Herrenhaus aufzuhalten, dessen Besitzer nicht da waren.
Deshalb beabsichtigte sie, Lord Haviland aufzusuchen, sobald sie angekleidet war. Vielleicht war ihre Reisetruhe inzwischen eingetroffen, und sie sollte in etwas wechseln, das besser zu einer Lehrerin passte, ehe sie später mit Lady Danvers sprach.
»Sonst hält sie mich für eine alte Vogelscheuche, Maman , und ich muss doch einen guten Eindruck auf sie machen, wenn ich eine Stellung an ihrer Akademie will.«
Madeline betrachtete sich mürrisch im ovalen Spiegel der Frisierkommode. Wollte sie wirklich nur Lady Danvers beeindrucken?
Nein, auch Lord Haviland.
Was absurd war, denn ein Mann seines Ranges konnte kein romantisches Interesse an ihr haben.
Leider könnte sie sich allzu leicht in Haviland verlieben. Seine Freundlichkeit, sein scharfer Verstand, sein Humor und vor allem sein Ehrgefühl weckten
ihre Bewunderung mindestens so sehr wie seine unbeschreiblichen Küsse sie verblüfften. Bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen, flatterten Schmetterlinge in ihrem Bauch.
Madeline atmete tief ein und rang nach Fassung. Wahrscheinlich war Lord Haviland im hellen Tageslicht nicht so überwältigend betörend wie gestern Abend.
Und selbst wenn doch, sollte sie besser gegen die Verlockung gefeit sein, nachdem sie Zeit gehabt hatte, ihr Gemüt wieder zu beruhigen und zur Vernunft zu kommen.
»Ich fürchte nach wie vor«, jammerte Freddie Lunsford, während er am Sideboard stand und Essen auf seinen Frühstücksteller häufte, »dass du die Dringlichkeit meines Problems unterschätzt, Rayne. Mir bleibt sehr wenig Zeit, Mrs Sauville zufriedenzustellen und zu verhindern, dass sie meinen Vater in meine Fehltritte einweiht.«
»Ich verstehe die Dringlichkeit sehr wohl«, erwiderte Rayne abwesend, weil er die Morgenzeitung las.
Freddie setzte sich neben ihn an den Frühstückstisch. »Wie willst du meine Briefe rechtzeitig zurückholen? «
Rayne blickte zu seinem ungeduldigen Cousin auf und beschloss, Freddies Ängste zu lindern, indem er ihm den Plan schilderte, den er bisher in groben Zügen entworfen hatte. Also faltete er die Zeitung zusammen und legte sie beiseite. »Ich beabsichtige, am Dienstagabend zur Soiree in Witwe Sauvilles Londoner Haus zu gehen.«
»Aber bis Dienstag sind es noch vier Tage!«
»Und die Frist, die sie dir setzte, verstreicht am
Mittwoch. Ich verspreche dir, dass du vorher deine Briefe wiederhast.«
»Wie willst du das anstellen?«, fragte Freddie, der sich ein weich gekochtes Ei in den Mund schaufelte, gefolgt von einem Stück Räucherfisch. Jedenfalls wirkte sich das drohende Desaster nicht nachteilig auf seinen Appetit aus.
»Du sagtest, Mrs Sauville behauptet, deine Briefe in ihrem Schmuckkasten aufzubewahren.«
»Ja, in ihrem Schlafgemach!«
»Dann sorge ich dafür, dass sie beschäftigt ist, solange ich ihr Gemach nach dem Schmuckkasten durchsuche.«
Freddie runzelte die Stirn. »Es wird nicht einfach, unbemerkt in ihr Boudoir zu marschieren und mit meinen Briefen wieder hinaus. Wie genau willst du das schaffen?«
»Warum überlässt du die Details nicht …«
Rayne brach abrupt ab, weil er bemerkte, dass sein Majordomus, Bramsley, in der Tür zum Frühstückssalon stand. Unmittelbar hinter dem distinguierten Diener war Miss Madeline Ellis.
Die Freude, die sich ob des Wiedersehens in ihm regte, verwunderte Rayne, und er war froh, dass er das Gefühl rasch unterdrücken konnte. Sodann fragte er sich, wie viel sie von ihrer Unterhaltung mitgehört haben mochte. Er erhob sich höflich, als Bramsley die Besucherin ankündigte.
Freddie sprang auf und schluckte hörbar, ehe er ausrief: »Miss Ellis, Teufel auch, was tun Sie hier?«
Rayne warf ihm einen tödlichen Blick zu. »Kommen Sie bitte herein, Miss Ellis.«
Sie zögerte an der Schwelle, denn sie musste bemerkt haben, dass sie ihr Gespräch unterbrach.
»Haben Sie schon gefrühstückt?«, fragte Rayne.
»Nein, noch nicht«, antwortete sie. »Ich wollte die Bediensteten in Danvers Hall ungern nötigen, eigens für mich ein Mahl zu bereiten.«
»Möchten Sie dann mit uns speisen?«
Sie blickte von einem zum anderen und nickte verhalten. »Ja, danke, Lord Haviland. Ich denke, das möchte ich.«
»Bramsley, bitte servieren Sie Miss Ellis etwas«, sagte Rayne, der ihr den Stuhl zu seiner Linken, gegenüber von Freddie zuwies und sich wieder an die Spitze der Tafel setzte.
Eilig wischte sich der gebührend beschämte Freddie seinen Mund mit der Serviette,
Weitere Kostenlose Bücher