Gezeiten der Liebe
Verandastufen stand, wo sie warm und eine Spur schüchtern lächelte.
Du hast kein Recht dazu, zischte die häßliche kleine Stimme in seinem Kopf. Kein Recht, etwas so Schönes und Reines zu besudeln.
Zugleich brachen all seine Wünsche mit der Gewalt eines Unwetters über ihn herein, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Als Aubrey auf ihn zugelaufen kam, griff er nach ihr und schwang sie hoch durch die Luft, während sie fröhlich kreischte.
Er wollte, daß sie zu ihm gehörte. Er war von der tiefen Sehnsucht erfüllt, daß dieses vollkommene, dieses unschuldsvolle, lachende Kind seine Tochter wäre.
Grace’ Knie gaben unter ihr nach, als sie zu den beiden ging. Das Bild, das sie vor sich sah, brannte sich in ihren Kopf, in ihr Herz ein, wo sie es auf immer bewahren würde. Der schlaksige Mann mit den großen Händen und dem ernsten Lächeln, und das goldhelle Kind mit der rosa Schleife im Haar.
Das Sonnenlicht ergoß sich über sie, so voll und reich wie die Liebe, die in ihrem Herzen wohnte.
»Sie wollte herkommen, seit sie heute morgen die Augen aufgeschlagen hat«, begann Grace. »Ich dachte, wir könnten ein wenig eher hiersein, um Anna zu helfen.« Er betrachtete sie so konzentriert, so still, daß ihre Haut prickelte. »Es gibt zwar nicht mehr viel zu tun, aber ...«
Sie brach ab, da er plötzlich den Arm ausgestreckt hatte und sie fest an sich drückte. Sie konnte nur noch erschrocken Luft holen, bevor er seinen Mund auf ihren preßte. Der rauhe, verlangende Kuß sandte heiße Blitze durch ihr Blut und bescherte ihr einen Schwindelanfall. Wie von fern hörte sie Aubreys glückliches Quietschen.
»Kuß, Mama!«
Oh, ja, dachte Grace und ergab sich dem atemberaubenden Glücksgefühl, das sie durchströmte. Bitte. Küß mich, küß mich, küß mich.
Sie glaubte einen Laut zu hören, einen Seufzer vielleicht, der tief aus seinem Innern kam. Seine Lippen wurden weicher. Die Hand, die ihr Shirt gepackt hatte wie eine Rettungsleine, öffnete sich und streichelte sie. Die sanfteren, zärtlicheren Gefühle, die jetzt von ihm ausstrahlten, waren jedoch nicht weniger glühend als der erste Ansturm der Begierde; sie vergoldeten nur das Sehnen, das er in ihr geweckt hatte.
Sie konnte ihn riechen, seine männliche Erregung. Sie nahm auch den Duft ihrer Tochter wahr, Puder und Seife. Glücklich schlang sie die Arme um beide, bildete instinktiv eine Einheit aus ihnen, hielt sie fest, als der Kuß endete, und preßte sich an Ethans Schulter.
Er hatte sie noch nie vor anderen geküßt. Sie wußte, daß Cam nur wenige Meter entfernt gestanden hatte, als Ethan sie packte. Und Seth hatte es gesehen ... und Anna.
Was hatte das zu bedeuten?
»Küß mich!« forderte Aubrey, tätschelte Ethans Wange und spitzte das Mündchen.
Er gehorchte, knabberte an ihrem Nacken, wo es kitzelte, und brachte sie zum Lachen. Dann wandte er den Kopf und fuhr mit den Lippen über Grace’ Haar. »Ich wollte dich nicht so an mich reißen.«
»Ich hatte gehofft, daß du es tun würdest«, murmelte sie. »Es hat mir das Gefühl gegeben, daß du an mich gedacht hast. Mich begehrt hast.«
»Ich denke schon so lange an dich, Grace. Ich begehre dich schon so lange.«
Da Aubrey sich in seinem Arm wand, setzte er sie ab, und sie lief zu Seth und den Hunden hinüber. »Ich meinte, daß ich nicht so grob zu dir sein wollte.«
»Das warst du doch gar nicht. Ich bin nicht aus Glas, Ethan.«
»O doch, in gewisser Weise schon.« Als er sah, wie Aubrey sich auf Foolish fallen ließ und mit ihm im Gras herumkugelte, blickte er Grace in die Augen. »So zerbrechlich«, sagte er leise, »wie das weiße Porzellan mit den rosaroten Rosen, das wir nur am Erntedankfest benutzten.«
Ihr Herz klopfte schneller vor Freude, weil er so dachte, auch wenn sie es besser wußte. »Ethan ...«
»Ich hatte immer Angst, daß ich es falsch anfassen und aus lauter Unbeholfenheit kaputtmachen würde.«
Er fuhr sacht mit dem Daumen über ihren Wangenknochen, wo ihre Haut warm und seidenweich war. Dann ließ er die Hand sinken. »Wir sollten lieber mit anpacken, bevor Anna den armen Cam endgültig in den Wahnsinn treibt.«
Grace flatterte immer noch vor Nervosität und Freude, als sie die Aufgabe übernahm, das Essen von der Küche zu den Picknicktaschen zu bringen. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie innehielt, eine Schüssel oder Platte in der Hand, um zuzusehen, wie Ethan die Pflöcke für die Hufeisen in die Erde trieb.
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