Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
aufgefallen.
»Ich habe es schon gekauft. Am Tag, nachdem auf Jonas geschossen wurde. Ich habe viel über dich nachgedacht, Libby, und auch darüber, wie sehr wir beide uns von anderen Menschen unterscheiden, und mir ist aufgegangen, dass du mich brauchst. Mich hat noch nie jemand gebraucht.«
Libby stockte der Atem. Sie legte bedächtig den Kopf zurück und blickte zu ihm auf. »Ich brauche dich?«
Er nahm ihre Hand. »Ja, allerdings. Nachdem ich erkannt habe, dass deine Familie vielleicht tatsächlich Gaben besitzen könnte, war ich ein oder zwei Minuten in meinem Selbstbewusstsein erschüttert …«
»Ach, doch so lange?« Libby lächelte matt. Sie fühlte sich
schwach. Für sie war der unterschwellige Schmerz in seinem Herzen offenkundig, doch sie war sicher, dass er ihn sich selbst nicht eingestand. Am liebsten wäre sie fortgerannt, aber gleichzeitig verspürte sie den Wunsch, ihn in ihren Armen zu halten, um ihm ein Gefühl von Geborgenheit zu geben.
Tyson strich ihr die Haare hinter das Ohr. »Du kannst nicht nein sagen. Du lässt dich von anderen ausnutzen, Libby. Mir fällt es gar nicht schwer, nein zu sagen. Du fliegst um die ganze Welt, um anderen zu helfen, aber in Wirklichkeit hast du kein eigenes Zuhause und kein eigenes Leben. Ich kann dir diese Dinge bieten. Ich kann dir das hier bieten, einen Zufluchtsort. «
Libby konnte den Blick nicht von seinem Gesicht abwenden. In seine Züge waren tiefe Furchen gemeißelt, die ihr bisher nie aufgefallen waren. Er wirkte seltsam verletzbar und gleichzeitig äußerst entschlossen. Es kostete sie jeden Funken Kraft, nicht die Arme um ihn zu schlingen und ihn eng an sich zu ziehen.
»Tyson, du kennst mich doch kaum«, sagte sie behutsam, doch ihr war deutlich bewusst, dass ihre Schwestern fast dasselbe zu ihr gesagt hatten. Er hatte Recht. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, fiel es ihr schwer, sich abzugrenzen.
Er schüttelte den Kopf. »Du irrst dich, Libby. Ich kenne dich.« Er seufzte. »Es ist nämlich so, Libby. Ich war noch nie in meinem Leben glücklich. Das war mir jedoch nicht klar. Ich wusste nur, dass etwas fehlt. Jetzt macht es mich glücklich, in deiner Nähe zu sein. Wenn ich mit dir zusammen bin, finde ich mich selbst okay. Im Grunde genommen habe ich keine besonders hohe Meinung von mir oder vom Leben im Allgemeinen, aber in deiner Gegenwart fühle ich mich lebendig. Kein Adrenalinschub auf Erden gibt mir das Gefühl, das du mir gibst.«
Libby konnte sehen, was für ein furchtbarer Kampf es für Tyson war, seine Worte mit Sorgfalt zu wählen, um sie davon
zu überzeugen, dass er es ernst meinte. Und was wollte er ihr damit überhaupt sagen? Es lief doch nicht etwa auf einen Heiratsantrag hinaus? »Ich bin nicht sicher, worauf das hinauslaufen soll, Ty. Ich bin offensichtlich gern mit dir zusammen, denn sonst würde ich nicht ja sagen, wenn du mich einlädst.«
»Aber du hast doch gar nicht wirklich ja gesagt. Das erste Mal habe ich dich ausgetrickst, und beim zweiten Mal habe ich dich bedrängt.«
Er ließ ihre Hand los und lief zu dem Pfad, der auf die Klippe führte. Libby folgte ihm, und in dem Moment war es ihr verhasst, dass sie seine Seelenqualen mitfühlen konnte. Sie kam sich vor wie ein unerwünschter Eindringling in seiner sorgsam konstruierten Welt.
»Tyson«, sagte sie, »ich versichere dir, wenn ich nicht gern mit dir zusammen wäre, dann verbrächte ich meine Zeit nicht mit dir. Ich bin jedes Mal freiwillig gekommen und weil ich mit dir zusammen sein wollte.«
Als sie sich umsah, wusste Libby, dass sie sich von keinem Haus mehr hätte wünschen können. Der Marmorpfad endete in einem weiten Bogen am Rande der Klippe. Ein gusseisernes Gitter diente als Barriere, und die Aussicht war einfach unglaublich. Sie blieb neben Ty stehen und versuchte verzweifelt die richtigen Worte zu finden, um den Sturm aufzuhalten, der sich in ihm zusammenbraute. Die Spannung war so spürbar, dass jetzt auch Libby zunehmend unruhiger und nervöser wurde.
»Ich habe dieses Haus für dich gekauft, Libby.« Seine Stimme klang düster, fast schon schroff, und sein Blick war trostlos. Ihr Herz dröhnte beinah so laut wie das Meer unter ihnen. »Warum, Ty? Weshalb solltest du so etwas tun?«
»Ich wollte dir einen Einblick in meine Person geben, damit du mehr siehst als den Teil, den der Rest der Welt zu sehen bekommt. Ich habe nämlich irgendwo in mir auch meine guten Seiten.«
»Hältst du es wirklich für nötig, mir ein Haus zu
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