Gezeiten des Krieges
gewesen.
»Kang war also unschuldig?«, fragte er.
»Nein, er war dessen schuldig, was er zugegeben hat. Kangs Irrtum war bloß, dass er die Machtdemonstration Major Thom Greggs anvertraut hat, einem fanatischen Bürger, der alle capellanischen Traditionen verachtete. Thom wurde wegen Befehlsverweigerung und übertriebener Gewaltanwendung vors Kriegsgericht gestellt. So-weit ich mich erinnere, hat man ihm erlaubt, ohne Pension in den Ruhestand zu treten, um einer Haftstrafe zu entgehen.«
Daniel dachte zurück an die letzte Entscheidung über Legat Kang. Crow hatte Liao zu diesem Zeitpunkt schon für einen weiteren Einsatz verlassen gehabt, aber: »Kang hat zugegeben, den Einsatz von Gewalt autorisiert zu haben«, erinnerte er sich. »Nein, Moment. Er hat die Verantwortung für die Männer unter seinem Befehl - und für deren Handeln
- übernommen.« Das war nicht dasselbe, auch wenn es in der Öffentlichkeit so aufgenommen worden war. Erstaunlich, was eine bloße Wortwahl für Folgen haben konnte.
Ruskov nickte. »Er hat die Hauptverantwortung übernommen. Mein Name wurde im Zusammenhang mit dem Skandal nie erwähnt und sechs Monate später wurde ich als neuer Legat bestätigt.«
Seither hatte ihn die Sorge geplagt, seine Untätigkeit, sein Rat zur Vorsicht sei möglicherweise die Ursache für diesen Ausgang der Dinge gewesen. Daniel wollte ihn beruhigen, dass dem nicht so war, aber er konnte es nicht.
Ezekiel Crow war tot, und das musste der Schwarze Paladin auch bleiben.
Er hatte die Entscheidung kaum gefällt, da klopfte es laut an der Bürotür, bevor Lieutenant Nguyen und Gerald Tsung ins Zimmer traten. Tsung war aschfahl und hielt die Arme steif, als wisse er nicht, was er mit ihnen anfangen sollte. Nguyen hielt seinen Compblock mit beiden Händen, als habe er Angst, ihn fallen zu lassen. Ruskov setzte sich besorgt auf.
»Was? Hat die Dynastie-Garde vor dem Absturz noch Truppen abgesetzt?« Er wirkte bereit, augenblicklich die gesamte Reserve zu mobilisieren, um die Hauptstadt zu verteidigen.
»Nein, Sir.« Nguyen stand unentschlossen zwischen Tür und Schreibtisch. Dann bewegte er sich und gab Ruskov den Compblock in die ausgestreckte Hand. »Keine Dynastie-Gardisten.«
»Wer dann?«, bellte Ruskov, drückte den Daumen auf den Verifax-Sensor und öffnete den Bericht. Er sah weiterhin seinen Adjutanten an, der die Nachricht offensichtlich schon gelesen hatte.
»Niemand. Es ist schon auf allen Nachrichtenkanälen, Legat. Die Kamerateams sind gleichzeitig mit unseren Sicherheitsleuten eingetroffen, und die Insassen der Rettungsboote halten sich unter MedK-reuz-Schutz in Chang-an auf.« Er drohte abzuschweifen.
Tsung übernahm. »Es gab keine Truppen an Bord. Es war ein MedKreuz-Schiff, Legat. Wir haben ein ziviles Schiff abgeschossen, mit Flüchtlingen von Gan Singh. Capellanischen Flüchtlingen. Vertriebenen Einwohnern.«
Niemand im Raum sagte ein Wort. Daniel setzte mehrmals an, aber jedes Mal scheiterte der Versuch an einem Mahlstrom sich jagender Gedanken, auf der Suche nach einer Erklärung dafür, aus welchem Grund er so falsch informiert gewesen sein konnte. Nein! Das ... durfte nicht... wahr sein.
Offenbar hatte er es doch ausgesprochen. Tsung nickte. »Es ist wahr und es wird noch schlimmer«, versprach der Adjutant der Gouverneurin. »Die Stadt befindet sich an Aufruhr.« Er sah aus, als müsste er sich jeden Augenblick übergeben.
»Chang-an brennt.«
Pelago Estates, St. Andre Präfektur V, Republik der Sphäre
Jacob Bannson saß in seiner Bibliothek. Das Licht war gedämpft. Nur eine auf den Schreibtisch gerichtete Lampe spendete Licht. Er beobachtete die Uhr, deren Sekundenzeiger sich dem untersten Punkt des Zifferblattes näherte. Dem letzten Augenblick, wo nicht einmal die Vorsicht der Republik die Astralprise noch retten konnte. Falls sie nicht ohnehin schon zerstört war, würden in diesem Moment mehrere Sprengladungen an Bord detonieren. Man würde ausreichend Beweismaterial finden, das die Miliz anklagte. Ritter Michaelsons Warnung an die örtlichen Behörden - Tage zuvor gegeben - besiegelte das Urteil. Tatsachen waren ohne Bedeutung. Wichtig war wie immer nur, was die Öffentlichkeit glaubte.
Die öffentliche Wahrnehmung war ein machtvolles Werkzeug. Und Jacob Bannson war ein Meister in seiner Anwendung.
Drei... zwei... eins ... Null.
Bannson hob das Glas. Der Wein in dem Kristallkelch glühte rot wie Blut. Er trank mit einem zufriedenen Lachen auf das Andenken Ezekiel
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