Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
Vom Netzwerk:
davon, man müsse im eigenen Bett sterben. Aber nicht mit ihm. Er wird einmal im Auto bei voller Fahrt sterben oder weil er ein Kind vor dem Ertrinken rettet. Friedlich ist seiner Meinung nach ein völlig überbewertetes Adjektiv.
    «Wie alt ist Irene denn?»
    «Dreiundneunzig.» Wieder dieses ergebene Lächeln.
    Es ist seltsam, dass sich Irene nicht um die Teezubereitung kümmert. Auch Jack und Clara sind nicht zu sehen, doch das ist Nelson ganz recht. Stella erschien ihm schon immer als das zurechnungsfähigste Familienmitglied.
    «Jack und Clara machen einen langen Spaziergang mit den Hunden», erklärt Stella. «Jack musste ein bisschen raus. Er macht sich solche Sorgen um Irene. Und Clara kann auch etwas Abwechslung vertragen. Es ist ihr in letzter Zeit nicht sehr gut gegangen.»
    «Hat der Tod von Dieter Eckhart sie sehr mitgenommen?»
    «O ja. Ich glaube, ihr lag wirklich viel an ihm.»
    «War sie in ihn verliebt?»
    Stella wirft ihm einen leise tadelnden Blick zu. «Sie kannten sich doch erst seit wenigen Wochen.»
    Aber so was kommt doch vor, hätte Nelson ihr gern erwidert. Hatte er sich nicht auch in Michelle verliebt, als er sie zum ersten Mal sah, damals im Süßwarenladen von Blackpool?
    «Mrs. Hastings», setzt er an. Am Samstagabend haben sie sich alle beim Vornamen genannt, aber das scheint jetzt lange zurückzuliegen. «Was wissen Sie über die Kriegsjahre in Sea’s End House?»
    «Eine ganze Menge», antwortet Stella gelassen. «Ich würde sogar behaupten, mehr als Jack. Irene hat mir immer sehr viel erzählt und Buster ebenfalls. Mich hat es interessiert.»
    «Wussten Sie, dass Irene Archie Whitcliffe besucht hat?»
    «Ja. Sie hatte ihn gern. Buster war so eine Art Vaterersatz für ihn.»
    Seltsame Vorstellung, dass der alte Mann mit der Regimentskrawatte einen Vater gehabt haben soll oder auch nur einen Vaterersatz. Nelson denkt an das, was Archie über Buster Hastings gesagt hat. Großartiger Kerl. Ein richtiger alter Satansbraten, einer von der ganz alten Schule. Keine allzu liebevolle Beschreibung.
    «Was war mit Hugh Anselm? Hat sie ihn auch besucht?»
    «Nur einmal, vor ein paar Jahren. Sie stand Hugh nicht besonders nahe. Ich glaube, Buster mochte ihn auch nicht, für ihn war er immer nur das ‹Kommunistenschwein›.» Sie lacht leise.
    «Haben Sie Hugh je kennengelernt?»
    «Ja. Ich habe Irene das eine Mal zu ihm gefahren.»
    «Und Archie?»
    «Wir sind uns ein-, zweimal begegnet.»
    Nicht zu fassen, denkt Nelson. Da hat er immer geglaubt, Jack wäre der Schlüssel zu Sea’s End House, dabei war es die ganze Zeit diese schweigsame Frau, die ihm jetzt gegenübersitzt. Sie kennt Irenes Kriegsgeschichten, sie erinnert sich an Buster und hat Irene sowohl zu Archie als auch zu Hugh begleitet.
    «Mrs. Hastings, hat Buster je von Daniel West gesprochen?»
    «Daniel West? Nein, nicht, dass ich wüsste. Wer ist das?»
    «Ein junger Mann aus seiner Truppe. Er hat sich 1940 das Leben genommen.»
    «Selbstmord? Wie furchtbar!»
    «Er wollte die Erinnerung an ein Kriegsverbrechen auslöschen, das Buster Hastings und seine Männer begangen haben.»
    «Ein Kriegsverbrechen? Wie meinen Sie das?»
    «Hat Ihr Mann Ihnen von dem Film erzählt, den wir neulich hier angeschaut haben? Als es so geschneit hat?»
    «Er meinte nur, das sei irgendein Quatsch von Hugh gewesen.»
    «Hugh Anselm beschuldigt in dem Film Captain Hastings und seinen Sergeant, sechs wehrlose deutsche Soldaten getötet zu haben. Die sechs Toten, die wir am Strand gefunden haben.»
    «Das ist nicht wahr!»
    «Ihr Mann hat es geglaubt.»
    «Jack? Unmöglich!»
    «Sie haben doch selbst gesagt, es waren schlimme Zeiten. Und in schlimmen Zeiten tun Menschen schlimme Dinge.»
    Stella sieht ihn an, als könnte sie den Gedanken nachvollziehen. Im Hintergrund tickt eine Uhr.
    «Mrs. Hastings», sagt Nelson. «Wissen Sie, wie Hugh Anselm gestorben ist?»
    Stella legt die Stirn in Falten. «Irgendein Unfall, nicht wahr?»
    «Man hat ihn tot auf seinem Treppenlift gefunden.»
    «Wie schrecklich.»
    «Wir vermuten, dass es sich um ein Verbrechen gehandelt hat.»
    Er hat sie schockieren wollen, und das gelingt ihm auch. Sie reißt die Augen weit auf und krallt die Hände um die Sessellehne.
    «Was heißt das?»
    «Es heißt, dass irgendwer den Treppenlift absichtlich angehalten hat. Und zwar jemand, der wusste, dass Hugh Anselm ein Herzleiden hat und ihn die Aufregung, sich befreien zu müssen, höchstwahrscheinlich umbringen wird.»
    «Was wollen

Weitere Kostenlose Bücher