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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Da haben sie die Fässer entdeckt, erinnert er sich. Die Felsen sind hier höher, von gelblich grauen Adern durchzogen. Am Strand hinter Broughton , hat Ruth gesagt. Noch einmal wählt er ihre Nummer. Nichts. Er ruft sie auf dem Festnetz an, erreicht aber nur den Anrufbeantworter. Wer soll da auch rangehen? Der Kater vielleicht? Als Nächstes ruft er Judy an; sie kennt sich in der Gegend am besten aus.
    «Judy? Was ist der nächste Strand hinter Broughton?»
    «Nördlich oder südlich?» Immerhin stellt sie keine unnötigen Fragen.
    «Nördlich.»
    «Rockham. Und dahinter Cromer.»
    «Kommt man von dort zum Wasser runter?»
    «Ja. Es gibt eine Treppe.»
    «Kommen Sie da so schnell wie möglich hin. Und bringen Sie Cloughie mit.»
    «In Ordnung, Boss.»
    Als Nelson das Gespräch beendet, schwappt ihm eine Welle über die Füße. Bald wird der Strand vom Meer umschlossen sein, und Ruth ist hier irgendwo. Er darf keine Zeit verlieren.

    «Was soll denn das?», fragt Ruth ärgerlich.
    «Rein in die Kabine, Ruth.» Craig lächelt das sanfte Lächeln, das Ruth immer so gut gefallen hat. Ihn mochte sie von den Feldarchäologen immer am liebsten, weil er nie Widerworte gab.
    «Das kann nicht dein Ernst sein. Nimm die Waffe weg.»
    «Wenn du nicht in die Kabine steigst, bringe ich dich um. So wie Eckhart und die anderen.»
    «Du hast sie umgebracht?»
    «Ja», antwortet Craig, immer noch im selben sanften, sachlichen Ton. «Es ging nicht anders. Ich muss das Andenken meines Großvaters bewahren.»
    «Dein Großvater.»
    «Donald Drummond. Der Vater meiner Mutter. Er war bei der Home Guard.»
    Donald. Der Gärtner, der wahrscheinlich den Schlüssel zur Laube hatte. Und der die Deutschen gleich umbringen wollte.
    «Er war ein großartiger Mann», sagt Craig. «Weißt du, ich bin bei ihm aufgewachsen. Mein Vater ist abgehauen, als ich noch ganz klein war, und meine Mutter ist damit nie klargekommen. Aber meine Großeltern waren immer für mich da. Fest und beständig. Das war eben eine andere Generation. Eine bessere Generation.»
    Ruth fällt wieder ein, wie Craig ihr erzählt hat, er sei bei seinen Großeltern aufgewachsen. Ihnen verdankt er, dass er Ochsenschwanzsuppe kochen kann. Ist er auch ihretwegen zum Mörder geworden?
    «Mein Großvater hat mir alles vom Krieg erzählt», fährt Craig fort. «Und als ich alt genug war, hat er mir auch erzählt, wie sie die Deutschen getötet haben. Die oder wir, hat er gesagt. Und ich habe verstanden. Er hat nur seine Pflicht erfüllt, für sein Vaterland gekämpft.»
    «Sie haben diese Männer kaltblütig ermordet!»
    «Was weißt du schon davon?», herrscht Craig sie zornig an. «Wo wärst du denn heute, du und die ganzen anderen Scheißliberalen, wenn sie euch damals nicht beschützt hätten? Sie standen an dieser Küste hier und haben sie verteidigt. Mit ihrem Leben verteidigt.»
    «Hast du Archie und Hugh umgebracht?»
    «Um Archie tut es mir leid», sagt Craig. «Er war ein guter Mann, aber er hätte das Geheimnis jemandem verraten. Ich kümmere mich um den Garten des Heims und habe mitbekommen, wie er sich immer mehr mit dieser Maria angefreundet hat. Und als dann auch noch Nelson kam, wusste ich, es ist Zeit zu handeln. Als ich im Garten fertig war, bin ich kurz hoch in sein Zimmer und habe ihn schlafen geschickt. Es hat nur ein paar Minuten gedauert. Eine Gnade im Grunde. Archie hasste das Altsein. Es gefiel ihm gar nicht im Heim.»
    «Und Hugh? Das war nun wirklich keine Gnade.»
    «Hugh war ein Kommunistenschwein. Großvater konnte ihn nicht ausstehen. Er hätte einfach den Dienst an der Waffe verweigern und es damit gut sein lassen sollen, aber nein, er musste ständig mit seinem Gewissen daherkommen. In Kriegszeiten kann man sich kein Gewissen leisten. Aber Hugh hielt sich immer für etwas Besseres. Und dann wollte er auch noch mit diesem deutschen Journalisten reden. Einem Deutschen unsere Kriegsgeheimnisse verraten! Nein, Hugh hat alles verdient, was er bekommen hat.»
    «Dann hast du also seinen Treppenlift angehalten?»
    «Das war ein Klacks. Ich kümmere mich auch dort um den Garten. Hab dem versoffenen Hauswart den Generalschlüssel geklaut und bin in Hughs Wohnung gegangen. Dann habe ich den Schalter umgelegt, und das war’s. Ich wusste ja, dass Hugh ein schwaches Herz hat. Ich wusste, es wird ihn umbringen, wenn er versucht, sich zu befreien. Geschieht ihm ganz recht, wenn du mich fragst. Diese ständigen Briefe an die Zeitungen von wegen, wir müssten uns mit den

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