Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
Vom Netzwerk:
solchen Situation angemessen ist, aber trotzdem hatte er den Eindruck, dass Archies Tod vorwiegend eine Unannehmlichkeit darstellt, die so schnell und effizient wie möglich aus der Welt geschafft werden muss. Außerdem war sie nicht sehr erfreut, zwei Polizisten in ihrer Eingangshalle vorzufinden.
    «Das hat alles absolut seine Richtigkeit», hat sie erklärt. «Der Arzt hat die Sterbeurkunde unterschrieben.»
    «Es gibt keinerlei Hinweis auf ein Verbrechen», erwiderte Nelson mit seiner Polizistenstimme. «Aber Mr. Whitcliffe war ein wichtiger Zeuge in einer laufenden Ermittlung. Ich muss wissen, ob er vor seinem Tod noch irgendwas gesagt hat.»
    «Ich hole Maria. Sie hatte die Schlussschicht bei Archie und war die Letzte, die ihn gesehen hat, bevor er von uns gegangen ist.» Sie ließ Nelson mit dem Eindruck zurück, dass es ausgesprochen geschmacklos ist, das böse Wort mit T auszusprechen.
    Die Schlussschicht bestand anscheinend darin, Archie ins Bett zu bringen. «Manchmal man muss den Leuten mit Toilette helfen», erläutert Maria. «Aber nicht Archie. Er hat alles alleine gemacht.»
    «Dann war er also noch gut in Form?», fragt Nelson. «Für einen Mann in seinem Alter.»
    «Er war besonders fitter Bewohner.» Maria hat Tränen in den Augen. «Deswegen es ist ja so traurig.»
    Clough tätschelt ihr mitfühlend den Arm. Nelson bedenkt ihn mit einem Blick.
    «Miss … ähm … Maria», fährt er fort. «Wenn es nicht zu schwer für Sie ist, würde ich gerne mit Ihnen durchgehen, wie Sie Archie gestern erlebt haben. Lassen Sie nichts aus, auch wenn es Ihnen unwichtig erscheint. Ich muss mir einen vollständigen Eindruck verschaffen.»
    Maria wischt sich die Augen mit einem Taschentuch. «Ich war vormittags da, nur kurz nach ihm sehen. Da hat er gelesen.»
    «Gelesen? Ein Buch?»
    «Nein. Ich glaube, es war ein Brief.»
    «Hatte er den Tag über Besuch? Also, abgesehen von DS Johnson und mir.»
    «Ich glaube nicht. Ich kann nachsehen in Verzeichnis.»
    «Hat er denn regelmäßig Besuch bekommen?»
    «Manchmal seine Enkel kommen mit ihre Familie. Ganz süße Kinder. Sie spielen gerne im Garten, füttern die Fische. Und eine Freundin kommt öfter, eine alte Dame.»
    «Haben Sie je den Enkel kennengelernt, der bei der Polizei ist?»
    «Nein.»
    So viel zu Whitcliffes Behauptung, er habe seinen Großvater ständig besucht.
    «Sie waren also gestern Vormittag bei Archie. Wann ungefähr?»
    «Gegen elf.»
    «Und wann haben Sie ihn dann wiedergesehen?»
    «Erst bei Schlussschicht. Ich habe zwischendurch ein paar Stunden frei, um meinen Jungen von Schule abzuholen.»
    «Wann war die Schlussschicht?»
    «Um neun.»
    «Ziemlich früh zum Schlafengehen», bemerkt Clough.
    «Wir haben so viele Bewohner», sagt Maria. «Wir müssen früh anfangen. Archie ist bei Letzten, weil er so gerne Panorama schaut.»
    «Erzählen Sie weiter.» Nelson bedenkt Clough mit einem weiteren Blick.
    «Ich bin in Zimmer gegangen. Da saß er in Schlafanzug vor die Fernseher. Ich habe seine Zähne in das Glas getan. Seine Kleider gefaltet, das Bett gemacht.»
    «Wie hat er auf Sie gewirkt?», fragt Nelson. «War er guter Laune?»
    Marias Schweigen dauert ungewöhnlich lang. «Nein», sagt sie schließlich. «Er war …» Sie bricht ab, scheint nach einem Wort zu suchen. «… nachdenklich. Ja, nachdenklich. Sonst wir plaudern immer, über Fernsehsendung, über meinen Kleinen. Er ist fünf. Archie hat immer an ihn gedacht. An Weihnachten er hat mir gegeben Geld für ein Geschenk.» Sie drückt erneut das Taschentuch an die Augen.
    «Aber gestern war er nachdenklich …», insistiert Nelson sanft.
    «Ja. Ich war besorgt, ein bisschen, deshalb bin ich nach halbe Stunde noch einmal zu ihm gegangen. Das Licht war noch an, aber er hat nicht gelesen. Er liest so gerne. Krimis meistens. Die kaufe ich für ihn in Wohlfahrtsladen. Aber gestern er lag einfach nur im Bett. Ich dachte, er schläft, aber als ich mich über ihn beuge, er hat mich am Arm gefasst. Ich glaube, er hat nicht gewusst, wer ich bin. Er sagt einen Namen, der klingt wie Lucy.»
    «Lucy?»
    «Ja. Ich denke schon den ganzen Morgen.» Sie legt die glatte Stirn in Falten. «Damit mir Name wieder einfällt.»
    «Lucy-Ann?», schlägt Clough vor. «Lucille?»
    «Vielleicht war es ja gar kein Name», meint Nelson. «Vielleicht war es ja irgendein Wort, ‹lustig› zum Beispiel.»
    Maria schüttelt den Kopf. «Nein, es war ein Name. Ich habe schon gehört.»
    «Lucia? Luke?»
    «Nein.»

Weitere Kostenlose Bücher