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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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der Rolle des liebevollen Onkels vorstellen. Und warum interessiert sich Archie so sehr für die beiden? Vielleicht sah er in Maria ja so etwas wie eine Ersatz-Enkelin; aber andererseits litt er nicht gerade an Enkel-Mangel.
    Wann wurde das Testament aufgesetzt? Wentworth zufolge vor zwei Jahren. Archie kann nicht gewusst haben, dass Hugh nur wenige Wochen vor ihm sterben wird. Er hat erwähnt, Hugh und er hätten sich vor etlichen Jahren Briefe geschrieben; vielleicht war diese Korrespondenz ja bedeutungsvoller als gedacht und wichtig genug, um als Erinnerungsstück vermacht zu werden? Nelson hat bereits einen Termin mit Hugh Anselms Nichte vereinbart, der einzigen noch lebenden Verwandten. Aber er verspricht sich nicht viel davon. Laut Kevin Fitzherbert ist die Nichte, Joyce Reynolds, in den vergangenen zehn Jahren vielleicht zweimal zu Besuch gekommen. Trotzdem hat sie sämtliche Besitztümer ihres Onkels geerbt – darunter vermutlich auch seine Korrespondenz –, und insofern kann es sich lohnen, mit ihr zu reden. Immerhin besteht die Chance, dass ein eifriger Briefeschreiber wie Hugh Anselm auch Tagebuch führte oder einen unveröffentlichten Roman in der Schublade hatte.
    Während Nelson noch über Briefe und die Sendung Countdown nachdenkt, klingelt das Telefon.
    «Nelson», bellt er in den Hörer.
    «Hier spricht Jack Hastings», erwidert eine ebenso barsche Stimme am anderen Ende. «Haben Sie gewusst, dass sich so ein Kraut-Reporter an meine Tochter heranmacht?»
    Einen Moment lang überlegt Nelson, ob er Erstaunen heucheln und Hastings zwingen soll, Dieter Eckhart und seinen Verdacht gegen ihn beim Namen zu nennen, entschließt sich dann aber, nur ein gewisses Missfallen über Hastings’ politisch höchst unkorrekte Formulierung zu äußern. «Ich weiß nur von einem deutschen Militärhistoriker namens Dieter Eckhart», sagt er.
    «Das ist der Mann. Stand der doch tatsächlich plötzlich vor meiner Haustür, stellen Sie sich das mal vor. Ich habe ihm gesagt, dass jeder Engländer König im eigenen Heim ist.»
    Nelson fragt sich, warum Hastings diesen Satz eigentlich so liebt. Er bringt ihn bei fast jedem Fernsehauftritt zum Einsatz – Nelson hat sich gründlich über ihn informiert –, und wahrscheinlich beharrt er auch nur deshalb darauf, in seiner Festung auf dem Felsen wohnen zu bleiben. Klarer Fall von Größenwahn.
    «Abgezogen ist er, wie ein begossener Pudel», fährt Hastings fort. «Und dann höre ich, dass er Clara belästigt.»
    Als «Belästigung» hätte Nelson die sichtlich einvernehmliche Knutscherei auf Ruths Sofa nun nicht gerade bezeichnet, aber das tut im Moment nichts zur Sache. Laut sagt er: «Was wollte Eckhart denn von Ihnen?»
    Zum ersten Mal klingt Hastings ein wenig unbehaglich. «Er hat da eine wahnwitzige Theorie über die Toten, die unten am Felsen lagen. Glaubt, es sind Deutsche. Irgend so ein Blödsinn.»
    Nelson findet es an der Zeit, Hastings ein bisschen aus dem Konzept zu bringen. «Unsere forensischen Untersuchungen haben tatsächlich ergeben, dass es sich bei den Toten höchstwahrscheinlich um Deutsche handelt», sagt er.
    Schweigen am anderen Ende. Dann fragt Hastings: «Wie bitte?»
    «Die Mineralanalyse zeigt, dass die sechs Toten aus Broughton höchstwahrscheinlich aus Deutschland stammen», wiederholt Nelson geduldig. «Und wir glauben auch zu wissen, wer sie sind.»
    «Ach ja?»
    «Dieter Eckhart erforscht das Verschwinden eines sechsköpfigen deutschen Kommandotrupps im September 1940. Wahrscheinlich wollte er deswegen auch zu Ihnen.»
    «Was zum Teufel hat das denn mit mir zu tun?»
    «Ihr Vater leitete damals die örtliche Einheit der Home Guard.»
    Wieder bleibt es still in der Leitung, dann meint Hastings versöhnlicher: «Hören Sie, ich bin jederzeit gerne bereit, polizeiliche Ermittlungen zu unterstützen, aber meine Mutter ist alt und nicht mehr sehr belastbar. So eine Geschichte könnte sie aufregen und krank machen. Und Clara, nun, sie ist sehr sensibel …»
    Nelson denkt an die blonde junge Frau, die in Sea’s End House ins Wohnzimmer gestürmt kam. «Sensibel» ist nicht das Erste, was ihm zu ihr einfällt.
    «Wir werden ganz behutsam vorgehen», versichert er Hastings. «Aber ich muss auf jeden Fall noch mal mit Ihnen reden.»
    «Sicher», sagt Hastings kleinlaut.
    «Und noch eins, Mr. Hastings. Sagt Ihnen der Name Hugh Anselm etwas?»
    «Hugh Anselm? Nein, nicht dass ich wüsste.»
    «Ihre Mutter hat einen Hugh erwähnt, eines der jüngeren

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