Gezinkt
bestellt, um ein paar Wände im Haus aufzufrischen – und ihm den Vorwand zu liefern, seinen Wagen woanders zu parken und ins Motel zu ziehen. Schließlich hatte er die Überwachungsmaßnahmen der Polizei gegen diese eingesetzt und ihnen vorgegaukelt, er sei tatsächlich der Einbrecher bei Anco und bereite sich auf einen letzten Raub vor, um danach aus dem Staat zu fliehen. Zu diesem Zweck hatte er Reisebücher, Munition und Werkzeuge gekauft und sich in die Websites der Alarmsysteme und Reisebüros eingeloggt. Im Motel hatte er Billy in die Versuchung geführt, Koffer, Kreditkarten, Handy und Wagen zu stehlen – alles, was die Polizei den Jungen verfolgen und ihn auf frischer Tat ertappen ließ.
»Es tut mir leid, Detective«, sagte er nun zu Carnegie. »Aber Sie haben mir keine andere Wahl gelassen. Sie hätten einfach nie geglaubt, dass ich unschuldig bin.«
»Sie haben meinen Sohn benutzt.«
Muller zuckte die Achseln. »Dem ist kein Schaden entstanden. Sehen Sie es mal positiv – seine erste Verhaftung, und er gerät an ein Opfer, das bereit ist, die Anzeige fallen zu lassen. Bei jedem anderen hätte er weniger Glück gehabt.«
Carnegie schaute durch die Jalousie auf seinen Sohn, der neben Hagers Schreibtisch stand und ein Bild des Elends bot.
»Er ist noch zu retten, Detective«, sagte Muller. »Wenn Sie ihn retten wollen... Also, gilt unsere Abmachung?«
Nach einem verdrossenen Seufzer nickte Carnegie widerwillig.
Vor dem Polizeirevier warf Muller den Koffer auf den Rücksitz seines Wagens, den die Polizei dorthin hatte abschleppen lassen.
Er fuhr zu seinem Haus und ging hinein. Die Maler waren offenbar gerade fertig geworden, es roch noch stark nach Farbe. Er ging durchs Erdgeschoss und riss die Fenster auf, um das Haus zu lüften.
Dann schlenderte er in den Garten hinaus und blickte über den großen Haufen Mulch, den zu verteilen er wegen des unterbrochenen Nickerchens hatte verschieben müssen. Der Geschäftsmann sah auf die Uhr. Er hatte einige Anrufe zu erledigen, beschloss jedoch, sie ein andermal zu machen. Er war in der Stimmung, im Garten zu arbeiten. Er zog sich um, ging in die Garage und griff nach einer glänzenden neuen Schaufel, einem seiner Einkäufe bei Home Depot am Morgen. Dann begann er den braunen und schwarzen Mulch sorgfältig über den weitläufigen Garten zu verteilen.
Nach einer Stunde Arbeit machte er eine Pause, um ein Bier zu trinken. Er setzte sich unter den Ahorn, nippte an seinem Heineken und schaute auf die leere Straße vor dem Haus – dort, wo in den letzten Monaten immer Carnegies Überwachungsteam stationiert gewesen war. Mann, es tat gut, nicht mehr ausspioniert zu werden.
Sein Blick ging zu einem kleinen Felsblock auf halbem Weg zwischen einer Reihe Maisstängel und einigen Klettertomaten. Darunter lag in einem Meter Tiefe eine Tasche mit den fünfhundertdreiundvierzigtausend Dollar von Anco Security. Er hatte sie am Nachmittag des Raubs hier vergraben, unmittelbar bevor er die Uniform des Straßenbauers weggeworfen und das gestohlene Baufahrzeug zum Orange County Airport gefahren hatte, um unter einem falschen Namen nach Chicago zu fliegen – eine Vorsichtsmaßnahme, falls er die Ermittler auf eine falsche Spur locken musste, was dank des zwanghaften Detective Carnegie nun ja tatsächlich der Fall gewesen war.
Jake Muller plante alle seine Raubzüge bis ins kleinste Detail. Deshalb war er nach beinahe fünfzehn Jahren als Dieb auch noch nie gefasst worden.
Er hatte das Geld seit Monaten an seinen Finanzverwalter in Miami schicken wollen – Muller hasste es, wenn Beutegeld keine Zinsen abwarf -, aber solange ihm Carnegie im Nacken saß, hatte er sich nicht getraut. Sollte er es jetzt ausgraben und losschicken?
Nein, beschloss er; er wartete lieber bis zur Dämmerung.
Außerdem war es warm, der Himmel klar, und es ging nichts über Gartenarbeit an einem schönen Frühlingstag. Muller trank sein Bier aus, griff zur Schaufel und machte sich wieder über seinen scharf riechenden Mulchhaufen her.
Das schwarze Schaf
Schlafe, mein Kind, und Friede begleite dich durch die Nacht ...
Die Worte des Schlaflieds gingen ihr endlos im Kopf herum, so hartnäckig wie der prasselnde Regen Oregons auf dem Dach und an den Fenstern.
Das Lied, das sie Beth Anne vorgesungen hatte, als das Mädchen drei oder vier Jahre alt gewesen war, setzte sich in ihrem Kopf fest und hörte nicht auf, nachzuhallen. Vor fünfundzwanzig Jahren hatten sie beide, Mutter und
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