Gezinkt
wie Beth Anne selbst?
»Hast du Kinder?«, fragte Liz.
»Das brauchst du nicht zu wissen.«
»Arbeitest du?«
»Fragst du, ob ich mich geändert habe, Mutter?«
Liz wollte die Antwort auf diese Frage nicht hören und fuhr rasch fort, ihr Anliegen vorzutragen. »Ich habe mir überlegt«, sagte sie, und in ihre Stimme stahl sich Verzweiflung, »dass ich vielleicht nach Seattle hinauf ziehen könnte. Wir könnten uns sehen... vielleicht sogar zusammen arbeiten. Wir könnten Partner sein. Fifty-fifty. Wir hätten viel Spaß. Ich fand immer, wir wären ein großartiges Team. Ich habe immer davon geträumt...«
»Du und ich zusammenarbeiten, Mutter?« Sie schaute in das Nähzimmer, nickte in Richtung der Maschine, der Kleidergestelle. »Das ist nicht meine Welt. Sie war es nie und wird es nie sein. Das hast du nach all den Jahren noch immer nicht begriffen, oder?« Die Worte und der kalte Tonfall beantworteten Liz’ Frage eindeutig. Nein, das Mädchen hatte sich kein bisschen verändert.
Ihre Stimme wurde hart. »Wieso bist du dann hier? Was ist der Zweck deines Besuchs?«
»Ich denke, das weißt du, oder?«
»Nein, Beth Anne, ich weiß es nicht. Eine Art Psycho-Rache?«
»So könnte man es wohl nennen.« Sie sah sich wieder im Zimmer um. »Gehen wir.«
Liz atmete hastig. »Warum nur? Alles, was wir getan haben, haben wir für dich getan.«
»Ich würde eher sagen, ihr habt es mir angetan .« Eine Waffe erschien in der Hand ihrer Tochter, und die schwarze Mündung wies in Liz’ Richtung. »Raus hier«, flüsterte Beth Anne.
»Mein Gott! Nein!« Sie unterdrückte einen Aufschrei, als die Erinnerung an die Schießerei in dem Juwelierladen auf sie einstürmte. Ihr Arm brannte, und Tränen liefen ihr über die Wange.
Sie sah die Pistole auf der Kommode vor sich.
Schlafe, mein Kindchen ...
»Ich gehe nirgendwohin«, sagte Liz und wischte sich über die Augen.
»Doch. Raus jetzt.«
»Was willt du tun?«, fragte sie verzweifelt.
»Was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen.«
Liz stützte sich auf einen Stuhl. Ihre Tochter bemerkte die linke Hand der Frau, die sich zum Telefon vortastete.
»Nein!«, bellte das Mädchen. »Bleib vom Telefon weg!«
Liz warf einen hoffnungslosen Blick auf den Hörer und zog dann ihre Hand zurück.
»Komm mit mir.«
»Jetzt. In den Regen?«
Das Mädchen nickte.
»Lass mich eine Jacke holen.«
»Da hängt eine neben der Tür.«
»Die ist nicht warm genug.«
Beth Anne zögerte, als wollte sie sagen, dass es angesichts dessen, was nun passieren würde, keine Rolle spielte, wie warm die Jacke ihrer Mutter war. Doch dann nickte sie. »Aber versuch nicht, zu telefonieren. Ich beobachte dich.«
Liz trat in die Tür zum Nähzimmer und griff nach der blauen Jacke, an der sie gerade gearbeitet hatte. Sie zog sie langsam an, den Blick wie festgenagelt auf dem Zierdeckchen mit der Ausbuchtung der Pistole darunter. Sie lugte ins Wohnzimmer. Ihre Tochter stand vor einem gerahmten Schnappschuss von sich selbst im Alter von elf oder zwölf, auf dem sie neben ihren Eltern zu sehen war.
Liz streckte rasch die Hand aus und nahm die Waffe. Sie hätte sich schnell umdrehen und sie auf ihre Tochter richten können. Ihr zurufen, die eigene Waffe fallen zu lassen.
Mutter, ich weiß, du bist bei mir, die ganze Nacht ... Vater, ich weiß, du hörst mich, die ganze Nacht ...
Aber was, wenn Beth Anne die Waffe nicht losließ?
Wenn sie auf ihre Mutter anlegte?
Was würde Liz dann tun?
Würde sie ihre Tochter töten können, um ihr eigenes Leben zu retten?
Schlafe, mein Kindchen ...
Beth Anne war immer noch abgewandt und betrachtete das Bild. Liz wäre in der Lage, es zu tun – umdrehen, ein schneller Schuss. Sie spürte die Pistole, ihr Gewicht zerrte an dem schmerzenden Arm.
Aber dann seufzte sie.
Die Antwort war Nein. Ein ohrenbetäubend lautes Nein. Sie konnte ihre Tochter niemals verletzen. Was immer als Nächstes da draußen im Regen passieren würde, sie konnte dem Mädchen nichts antun.
Liz legte die Pistole weg und kehrte zu ihrer Tochter zurück.
»Gehen wir«, sagte Beth Anne, steckte ihre eigene Pistole in den Gürtel der Jeans und führte ihre Mutter mit rauem Griff nach draußen. Es war, erkannte Liz, der erste körperliche Kontakt seit mindestens vier Jahren.
Sie blieben auf dem Vorbau stehen, und Liz fuhr zu ihrer Tochter herum. »Wenn du das tust, wirst du es für den Rest deines Lebens bereuen.«
»Nein«, sagte das Mädchen, »ich würde es
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