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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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hätte heulen können – und verfluchte mich. Wäre ich doch an meiner lieben alten Gesamtschule-Süd geblieben! Da kannten mich die Schüler, da hatte ich ein Standing, und außerdem hätten wir niemals so eine unpraktische Flasche gekauft. (Wir hatten sowieso meistens gar keine Tusche da.)
    Es klingelte. Die Schüler verschwanden wie die geölten Blitze, und ich starrte trübselig den großen schwärzlichen Fleck auf dem grauen PVC-Boden an. Ein ewiges Andenken an diese erste vergurkte Stunde. Als ich hochschaute, stand Michael vor mir. Er sah mich ernst an.
    «Komm, lass uns rausgehen», sagte ich und rang um Fassung. Bloß jetzt nicht losheulen!
    Er berührte mich leicht an der Schulter und sagte leise: «Machen Sie sich nichts draus, Frl. Krise. Sie sind eine gute Lehrerin!»
    Danke, Michael! Das hat mir in diesem Moment sehr geholfen.
    Er starb wenige Monate später.

Voll langweilig
    Heute war eine Berufsberaterin in meiner Klasse, um sich vorzustellen und den Prozess der Berufssuche anzubahnen; aber das interessierte die Damen und Herren wenig. Man nahm lediglich hocherfreut zur Kenntnis, dass die Bio-Stunde bei Krise ausfiel – und konstatierte schon nach wenigen Minuten, dass das, was da vor ihnen stand, offensichtlich keine Lehrerin war.
    «Kann sich nicht durchsetzen», sagt Gülten fachmännisch.
    Das Thema Berufsfindung ist mit fünfzehn Jahren überhaupt eine Zumutung und gähnend langweilig, ich schwör’s. Entweder weiß man, was man später machen will, oder man weiß es nicht. Punkt. Diejenigen, die keinen Berufswunsch haben, sind sich aber nur in den allerseltensten Fällen bewusst, dass man ohne Schulabschluss nicht Pilot, Anwalt oder Kfz werden kann.
    Erkan, frisch sitzengeblieben und nach wie vor völlig verpeilt, will «Artz» werden, also Frauenarzt. Hahaha. Schon klar. Mustafa faselt was von Kaufmann für irgendwas mit Kommunion, und Nesrin macht gleich ihren eigenen Friseursalon auf, zum Glück braucht man keine Ausbildung für so was. Denkt sie. Da kann sie sich dann mit Rahim zusammentun, der will Koch werden, aber auch ohne Ausbildung, so ’nen Schnulli macht man nicht als Chef.
    Aynur marschiert stramm in Richtung Oberstufe, jedenfalls mental; das Abitur wird sich schon irgendwie einstellen. Und Jenny? Die hat zurzeit ganz andere Sorgen, die ist seit einigen Wochen in einen jungen, hoffnungsvollen Mann namens Dustin verliebt und hat zum Denken keinerlei Kapazitäten frei. Ich hoffe aber, sie denkt an die Pille, sonst ist es mit der Ausbildung vorbei, bevor sie losgehen kann.
    Diejenigen, die noch keinen gutfundierten Plan haben, zucken verzweifelt mit den Achseln. Die Berufsberaterin fragt nach:
    «Ja, was würdest du denn gerne werden?»
    «Keine Ahnung.» (Azzize)
    «Was macht dir denn Spaß?»
    «Chillen.» (Sam)
    «Und was kannst du gut?»
    «Nix!» (Mustafa)
    «Hast du für irgendwas Interesse?»
    «Nö!» (Hanna)
    «Und wenn du dir einen Traumberuf aussuchen könntest, egal was?»
    «Zuhälter.» (Fuat)
    «Ja, toll, dann vergiss nicht, noch nebenher Drogen zu verkaufen», entfährt es mir.
    Spinnen die komplett?
    Die Berufsberaterin seufzt. Sie ist das gewohnt, sagt sie. Immer dasselbe, sagt sie. Vielleicht wirkt sie deshalb so lustlos. Ich wusste mit fünfzehn allerdings auch noch nicht, was ich werden wollte.
    Als ich mit dem Fahrrad nach Hause strampele, überlege ich: Vielleicht sollte ich umschulen? Manchmal habe ich keine Lust mehr. Vielleicht mach ich eine Kneipe für trockene Alkoholiker auf, das wäre doch eine echte Marktlücke. Saufende Lehrer gibt’s bestimmt viele, und wenn die dann trockengelegt sind und in mein Lokal kommen, können die mir immer schön alles von der Schule erzählen …

Wenn Träume wahr werden
    Träumen heute unsere Mädchen von den voll süßen heiratsfähigen «Kusengs» aus dem Libanon oder der Türkei, war in den Siebzigern für viele Mädchen die Hochzeit mit einem amerikanischen GI das Ziel aller Wünsche. In unserer Stadt in Hessen gab es nämlich bis weit in die neunziger Jahre eine große amerikanische Garnison mit allem, was dazugehörte – Diskotheken, Läden, Kino, Schule usw. Als Deutscher hatte man natürlich zu diesen Herrlichkeiten keinen Zutritt, außer man arbeitete dort.
    Aber unsere Schülerinnen hatten den Bogen raus. Sie angelten sich einen GI, gaben fürderhin mit billigen Zigaretten und Whiskey aus dem PX an, dem amerikanischen Supermarkt für die Streitkräfte, und setzten alles daran, sich so schnell wie

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