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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Darum auch dieser Abgang.
    Aber am meisten ärgere ich mich jetzt, dass ich mich so ärgere. Warum macht mich das so sauer, sein Abgang, sein dämlicher Auftritt auf der Straße? Wo zum Teufel ist meine professionelle Abgeklärtheit und Distanz? Ist nach fünf Wochen Ferien etwa alles weg?
    Verdammt. Das kann ja heiter werden.

[zur Inhaltsübersicht]
    Wir sind im neunten Schuljahr!
    Überraschung!
    Ach, ich bin voll übertrieben mega-mies happy! War das schööööööön heute am ersten Schultag in unserer frischgebackenen neunten Klasse!
    Aber mal der Reihe nach, Frl. Krise.
    Schlag zehn Uhr standen Karl und ich heute morgen im Klassenraum und harrten schwitzend und zähneklappernd der Schüler, die da erscheinen würden. Karl hatte natürlich schon die neue Klassenliste und den Stundenplan unserer Klasse besorgt, und ich putzte aus Nervosität zum dritten Mal die Tafel. Dann trudelten langsam und gemütlich unsere Lieben ein. Zweiundzwanzig standen auf der Liste, die wir vom Sekretariat erhalten hatten, aber nur sechzehn erschienen. Natürlich ohne «Hallo» oder «Guten Tag» oder so was überflüssig Höfliches, aber richtig gut gelaunt und durchaus erfreut, wieder in die Schule gehen zu dürfen. Sogar für das fiese Frl. Krise fielen das eine oder andere Lächeln, mehrere Rechtlinksrechts-Küsschen und manches verblüffte «Wie ist sie braun!» ab.
    Zwei Mädchen – Merve und Leila – sind noch in der Türkei. Sie sind früher in die Ferien gestartet, dafür kommen sie auch später wieder. Ist ja logisch. Vier neue Schüler, die auf unserer Liste stehen, tauchen also nicht auf. Vielleicht haben sie etwas Besseres gefunden. Das soll uns nur recht sein. Im Laufe des Schuljahrs werden sich diese Plätze ohnehin schnell füllen, das kennen wir schon. Es gibt immer Schüler, die zuziehen oder aus anderen Gründen die Schule wechseln.
    Aber dann merkten wir – unsere Bad Company fehlte! Hä, was das?
    Sie fehlten, weil sie in den Projektschulen aufgenommen worden sind. Turgut und Ali. Ja, ist es denn zu glauben?!
    Natürlich besteht die Gefahr, dass die Herrschaften die dreimonatige Probezeit an der neuen Schule nicht bestehen und zu uns zurückkehren – aber hoffen darf man ja, oder? Bis zum November haben wir jedenfalls erst mal ein bisschen Frieden. Schultage ohne Turgut zum Beispiel, der jeden Unterricht torpedierte, indem er lauthals Tierstimmen nachmachte oder auf die Tische trommelte. Auch Ali weine ich ehrlich gesagt keine Träne nach, der hatte uns den Laden mit seiner Aggressivität (hier ein Nackenklatscher, dort ein Tritt) auch bloß nur aufgemischt. Sogar der zaghafte Gedanke an eine Klassenfahrt keimt auf.
    Vielleicht bekommen wir jetzt doch langsam die Kurve mit dieser Klasse.

Michael
    Der erste Tag an meiner neuen Schule. In Kunst hatte ich gleich eine Gruppe aus dem neunten Jahrgang, die darauf erpicht zu sein schien, mit aller Gewalt auszuprobieren, ob und wo ich Grenzen ziehen würde.
    Nur ein Schüler, Michael – ich wusste von seinem Klassenlehrer, dass er schwerkrank und nur selten anwesend war –, verhielt sich anders. Sehr schmal und blass, fast durchsichtig, saß er ruhig zwischen all den Rüpeln.
    Wir arbeiteten mit Tusche, aber die meisten Tuschegläschen waren fast leer. Das Nachfüllen gestaltete sich ziemlich schwierig, da ich nur eine riesige Nachfüllflasche fand, mit der man schlecht hantieren konnte.
    Während ich ungeschickt herumjonglierte und höllisch aufpasste, um nichts zu verkleckern, sprangen plötzlich die beiden Schüler rechts und links neben mir auf. «Schwul, du bist schwul, du bist ein schwuler Rasenmäher!», höhnte der eine.
    «Halt’s Maul!», schrie der andere und duckte sich, denn eine Faust sauste auf ihn zu. Sie traf ausgerechnet mich, genauer gesagt meine Hand mit der Flasche. Die Tuscheflasche wackelte bedenklich, ich versuchte noch verzweifelt, sie zu halten, doch sie flutschte mir durch die Finger, schlug hart auf der Tischkante auf und ergoss sich wie in Zeitlupe auf den Fußboden.
    Eine riesige lackschwarze Pfütze glänzte auf dem Boden.
    Ich weiß nicht, wieso, aber Tusche lässt sich nicht aufputzen. Sie wird immer mehr, statt weniger, und so lag ich den Rest der Stunde auf den Knien und wischte und wischte. Zuerst halfen zwei Jungen, aber ich schickte sie weg. Sie machten alles nur noch schlimmer. Zwischendurch bemühte ich mich, die Gruppe halbwegs in Schach zu halten.
    Schlechter konnte man an einer neuen Schule gar nicht anfangen. Ich

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