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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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bitte noch einmal, aber dieses Mal ohne Beschimpfungen und ohne ein einziges Mal das Wort ‹danach› zu benutzen.»
    «Kein Problem», flötet Aynur. Dann holt sie tief Luft und rattert los: «Also, ich war in der Mittagspause mit Betül und Hanna auf dem Hof. Da kam so ein Mädchen aus der 8c zu mir. Sie kennen die bestimmt, sie ist etwas dicker und trägt meistens ein rosa Kopftuch. Dann hat sie mir eine runtergehauen, und daraufhin habe ich sie gefragt, wie ihr Name sei. Aber sie hat mir nicht geantwortet. Ich wollte sie dann auch schlagen. Aber das hat Herr Böck verhindert. Anschließend ist sie ins Haus gegangen. Zum Schluss mussten wir alle zu Frau Roth. Und deshalb sind wir zu spät gekommen. Entschuldigen Sie bitte, Frl. Krise.»
    «Na bitte», sage ich zufrieden, «geht doch!»
    «Tschüüüüüch!», ruft Aynur. «Abooooh! Aber jetzt ich fühle mich, als hätte ich Wörterbuch verschluckt, vallah, ich schwör!»

Da staunt der Männe
    Lässig lasse ich das Einwickelpapier zu Boden segeln, ehe ich ins Auto einsteige und mir das Hustenbonbon in den Mund schiebe. Männe, der mir gerade in einem seltenen Fall von außerehelicher Ritterlichkeit die Tür aufhält, sagt erstaunt und ein bisschen empört: «Seit wann schmeißt du denn deinen Abfall hier einfach hin?»
    Abfall? Wovon spricht der Mann? Ich gucke ihn mit großen Rehaugen an.
    «Was Abfall?», frage ich.
    «Hier!» Männe fuchtelt mir mit einem grünen Papierchen vor der Nase herum.
    «War ich nicht», behaupte ich vorsichtshalber.
    «Nee … Oder?!» Männe kriegt sich nicht mehr ein. «Das hast du doch hier gerade vor meinen Augen hingeschmissen!»
    «Niemals», sage ich im Brustton der Überzeugung.
    Männe schüttelt den Kopf und steigt auch ins Auto ein. Das Bonbonpapier platziert er vorsichtig in der Ablage des Cockpits.
    «Also bitte! Ich stand doch genau daneben», insistiert er und sieht mich an wie ein seltenes Insekt.
    «Kannst du das beweisen?», frage ich kühl und lege mir den Sicherheitsgurt um.
    Männe starrt stumm durch die Windschutzscheibe auf die Mülltonnen, die sich im Hinterhof gleich neben unserem Parkplatz befinden. Da taucht unser Hauswart auf. Er humpelt in Richtung Flaschencontainer und wirft drei Pullen hinein, die wie Schnapsflaschen aussehen.
    «Der säuft sich was zusammen, der alte Hurensohn», bemerke ich diagnostisch wertvoll und ignoriere Männe, der plötzlich tief ein- und ausatmet.
    «Du meinst wohl, der ist alkoholkrank.» Männe spricht unnatürlich leise und stiert immer noch vor sich hin. Dann meint er nachdenklich: «Du hast dich verändert, Frl. Krise, seit du an dieser Schule bist.»
    «Wie jetzt?», frage ich. Der Mann ist so komisch heute.
    Vielleicht hat er Wechseljahre? Ich habe davon in der Apotheken Umschau gelesen – das kann zu Wesensveränderungen führen. Besorgt mustere ich ihn von der Seite.
    «Ach nichts», sagt Männe und fährt endlich los.
    Zwei Tage später treffe ich mich mit Frau Freitag in meinem Schulkiez. Bester Stimmung, aber völlig erfolglos durchforsten wir einen kleinen Flohmarkt und biegen dann zu unserem Stammcafé ab. Frau Freitag hat sich wie immer bei mir eingehängt und dirigiert mich mit sanftem Druck durch die Menschenmassen.
    Ein hochgewachsener älterer Mann, auf eine Krücke gestützt, kommt genau auf uns zu. Die zweite Krücke trägt er wie ein Bajonett vor sich her und verschafft sich so etwas freien Raum. Er sieht verwahrlost aus und scheint irgendwas Ungesundes konsumiert zu haben, denn er pöbelt die Passanten an, die verschreckt vor ihm zurückweichen. Jetzt nimmt er uns ins Visier und legt sofort los: «Ihr Lesben! Haut ab, ihr beschissenen Lesben, Lesben sollte man alle …!»
    «Halt’s Mund, Wichser», sage ich bestimmt, und Frau Freitag setzt noch mit einem drohendem «Deine Mutter …!» nach. Der Mann verschwindet in der Menge. Wir kriegen den voll krassen Lachanfall.
    «Männe meint, wir hätten uns verändert», globalisiere ich den Spruch meines Mannes.
    «Wie kommt er denn darauf?», ächzt Frau Freitag und hält sich den Bauch fest.

Wir sind unterwegs
    Neben meinem Rechner liegt ein ausgeblichenes fleckiges Blatt Papier. Darauf schrieb ich am ersten Schultag des siebten Schuljahrs, also vor gut zweieinhalb Jahren, handschriftlich alle Vornamen meiner neuen Schüler. Zu jedem Namen notierte ich auch seine deutsche Bedeutung. Da wimmelte es nur so von Kriegern, Hoffnungen, letzten Soldaten und Herrschern, aber auch die Sonne, der Regen, wilde

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