Ghost Dusters 01 - Die Geisterfeger
bemerkte sie, dass die Hintertür nicht verschlossen war. Sadie fluchte leise. Das passte so gar nicht zu ihr. Eigentlich schloss sie immer ab, vor allem wenn sie allein in einem Haus war.
Nachdem Sadie ihren Schutzanzug ausgezogen und in einen Behälter für medizinische Abfälle gesteckt hatte, schloss sie die Tür hinter sich ab und ging zu ihrem Lieferwagen.
Als Sadie nach dem Mittagessen in Mrs. Toths kleiner Eigentumswohnung in Bellevue eintraf, bestand die Frau darauf, eine große Kanne Tee zu machen. Sadie hasste Tee und hätte lieber einen Kaffee von Starbucks getrunken. Doch sie begriff, dass Mrs. Toth mit ihr lieber in der gemütlichen Küche ihres freundlichen Apartments sprechen wollte, und erfüllte der Frau diesen Wunsch gern. Es war schlicht ein Gebot der Höflichkeit, die Angehörigen zu Hause aufzusuchen. Zudem
kam es immer wieder vor, dass die Leute in Tränen ausbrachen; manche waren auch mit starken Beruhigungsmitteln vollgepumpt.
Mrs. Toth weinte nicht, aber sie rang unablässig ihre Hände, wenn sie nicht gerade ihre Teetasse aus feinem Porzellan umklammerte.
»Ich wusste einfach nicht, was ich wegen des Hauses machen sollte. Wenn mein Mann noch leben würde, hätte er sich darum gekümmert, aber ich hatte keine Ahnung, an wen ich mich wenden sollte. Ich war so erleichtert, als ich jemanden fand, der solche Dinge erledigt. Danke«, wiederholte Mrs. Toth bereits zum vierten Mal.
»Sie brauchen sich nicht zu bedanken, Mrs. Toth«, sagte Sadie leise. »Das ist mein Job. Ich bin froh, wenn ich Angehörigen diese Arbeit abnehmen kann.«
Mrs. Toth nickte, hob die geblümte Kanne hoch und schenkte sich Tee nach. Sadie hielt die Hand über ihre Tasse zum Zeichen, dass sie genug hatte.
»Nennen Sie mich ruhig Sylvia«, sagte Mrs. Toth. »Vermutlich sind Sie an solche Dinge gewöhnt, weil es Ihr Job ist.« Auf einmal sah sie verwirrt und traurig aus. »Ich weiß einfach nicht, was passiert ist.« Ihre Blicke trafen sich. »Sie waren so glücklich. Ich dachte sogar, sie würden bald eine Familie gründen. Grant hatte mal etwas von dem Getrippel kleiner Füße im Haus erwähnt. Sie waren endlich mit der Renovierung des Hauses fertig, und Grants Geschäft lief so gut, dass er in Portland einen zweiten Laden eröffnet hatte.«
Verdammt. Sadie hasste es, zu viele Details über die Opfer zu erfahren. Dadurch wurde es schwierig für sie, bei ihrer Arbeit unvoreingenommen zu bleiben.
»Sehen Sie nur, wie glücklich die beiden waren.« Sylvia zog ein Foto aus ihrem Portemonnaie.
Sadie hätte sie am liebsten davon abgehalten. Sie mochte sich bei ihrem Job wirklich keine Fotos von Leuten ansehen. Aber als sie jetzt einen Blick auf das Paar warf, nahm sie Sylvia das Foto aus der Hand.
»Wie seltsam. Ich dachte eigentlich, er sei blond«, murmelte Sadie.
»Grant? Nein, er war immer brünett wie ich, ehe ich grau wurde.« Sylvia runzelte die Stirn. »Warum dachten Sie, er sei blond?«
Oh, nur weil ein blonder Geist mich in Grants Haus besucht hat. Nachdenklich betrachtete Sadie das Foto. Vermutlich war das der Grund, weshalb sie ihren Besucher sehen konnte. Ein falscher Geist. Das Haus war alt. Ihr Besucher musste ein Geist gewesen sein, der nichts mit den jüngsten Vorkommnissen zu tun hatte.
Sadie gab Mrs. Toth das Foto zurück und sagte: »Das Haus ist wirklich toll. Es muss fast hundert Jahre alt sein, oder? Hatte es denn viele Besitzer?«
»Oh, ja«, erwiderte Sylvia. »Grant und Trudy waren ziemlich stolz, dass sie den ursprünglichen Charakter des Hauses wenigstens zum Teil erhalten konnten. Sie waren ständig auf der Suche nach erlesenen Stücken. Erst letzten Monat hat Trudy bei einem Antiquitätenhändler einige gläserne Türgriffe entdeckt, die perfekt dazupassen.«
Sadie hörte nur mit halbem Ohr hin, was Mrs. Toth sagte. Sie dachte nach. Oh Gott, hoffentlich ist in diesem Haus nicht ein halbes Dutzend Menschen gestorben. Wenn all die anderen Geister ihren Weg ins Jenseits bis jetzt noch nicht gefunden haben,
dann werde ich dort bestimmt nicht zum Arbeiten kommen.
Als Sylvia traurig das Foto betrachtete, wirkte das Gesicht der etwa sechzigjährigen Frau um zehn Jahre älter.
»Ich hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmte. Ich hätte es sehen müssen.« Sie ließ die Schultern hängen.
»Sie konnten es nicht wissen.«
Genau das wollten Angehörige hören, und meistens entsprach es wohl auch der Wahrheit.
»Es ergibt einfach keinen Sinn. Sie waren glücklich und zufrieden.
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