Ghost Dusters 01 - Die Geisterfeger
Magens nicht so schnell schlecht wurde, hatte sie seit Monaten schon keinen Heißhunger mehr verspürt, genau genommen seit dem fünften Jahrestag von Brians Selbstmord. An diesem Tag hatte ihre Mutter zum Gedenken an ihren Sohn ein großes Festessen veranstaltet. Bei jedem Bissen hatte Sadie sich als Versagerin gefühlt, und sie hatte daran denken müssen, dass sie nie erfahren würde, warum er es getan hatte.
Sadie aß ein paar Bissen von ihrem Sandwich und ließ sich den Rest von einer Kellnerin einpacken. Dann schlüpfte sie in ihre Gore-Tex-Jacke.
»Willst du fahren?«, fragte sie Zack.
»Klar.«
Sadie warf ihm die Schlüssel zu, und sie verließen das Blue Onion Bistro. Schnellen Schrittes gingen sie durch den Nieselregen zu ihrem Lieferwagen und stiegen ein. Sadie versuchte, Zack den Weg zum Haus der Toths zu beschreiben, doch er unterbrach sie.
»Sag mir einfach die Adresse, dann finde ich es schon selbst. Ich traue dir nicht«, meinte er.
»Du meine Güte, nur weil ich dich einmal in die falsche Richtung geschickt habe -«
»Ja, und dieses eine Mal musste ich ausgerechnet in einem
Nachtklub für Schwule nach dem Weg fragen, noch dazu an einem Abend ohne Kleiderzwang«, brummte er.
»Deine Männlichkeit hat aber trotzdem keinen Schaden genommen«, bemerkte Sadie mit einem Grinsen.
»Dein Verdienst war das nicht.«
Schweigend fuhren sie die paar Kilometer zum Haus der Toths. Sadie setzte Zack dort ab, während sie noch mal schnell nach Hause düste, um ein paar Sachen zu holen. In der Zwischenzeit konnte Zack sich in Ruhe in dem Haus umsehen.
Als Sadie zu Hause Bürsten und Eimer ins Auto packte, stand ihre beste Freundin plötzlich neben ihr.
»Ist es nicht absolut irre!«, schwärmte Pam. »Ich habe grade Marge getroffen – du kennst sie doch sicher noch. Sie arbeitete auch an unserer Schule. Sie sieht um Jahre jünger aus. Ich wette, sie hat sich liften lassen. Ich hab schon daran gedacht, mir Botox spritzen zu lassen. Was meinst du?«
Sadie sah ihre Freundin an. Ihrem blassen Gesicht fehlte tatsächlich etwas, aber sicher nicht Botox.
»Du siehst wie immer großartig aus.« Sadie ging nicht weiter darauf ein und lud stattdessen weitere Sachen in den Lieferwagen. Pam kapierte schnell.
»Ich sehe, du bist beschäftigt. Lass uns später was zusammen trinken gehen.«
»Ich glaube nicht, dass ich Zeit habe. Auf mich wartet ein neuer Job, und ich habe dort wahrscheinlich länger zu tun, weil...«
»Oh bitte, keine Details.«
Sadie blickte zur Seite in Pams missmutiges Gesicht. Sie hasste Sadies Job und alles, was mit Blut zu tun hatte.
»Ich habe keine Ahnung, wie spät es heute wird, aber du kannst dich gern noch mal melden.«
»Hört sich gut an«, meinte Pam. »Ciao erst mal.«
Gleich darauf fuhr Sadie zum Toth-Haus zurück. Sie winkte Zack zur Begrüßung kurz zu. Zu Beginn eines neuen Jobs redeten sie nicht viel. Erst wenn der Großteil der grausigen Überreste beseitigt war und sie die Atemschutzmasken nicht mehr brauchten, konnten sie sich wieder ungehindert unterhalten.
Sadie trat jetzt näher an Zack heran, damit er sie durch die Maske besser verstehen konnte.
»Warum gehst du nicht ein Stockwerk höher und ich übernehme das Erdgeschoss?«
Zack hob den Daumen, packte seine Sachen zusammen und verschwand nach oben.
Sadie arbeitete sich immer gern langsam zu der Stelle vor, wo die Leiche gelegen hatte. Mit einem roten Abfallbehälter in der einen und diversen Reinigungsmitteln in der anderen Hand steuerte sie nun auf das hohe Regal an der hinteren Wand zu. Mit Hilfe einer mitgebrachten Trittleiter räumte sie systematisch alles vom obersten Regal und schrubbte es mit einem starken Desinfektionsmittel ab. Es genügte nicht, das Blut einfach abzuwischen; es mussten auch alle Keime und Krankheitserreger beseitigt werden. Das war eine langwierige, anstrengende Arbeit.
Nachdem sie fast die Hälfte der acht Regalböden geschafft hatte, sah sie, dass viele Bücher wirklich nicht mehr zu retten waren. Sie warf sie kurzerhand in die Abfallbehälter.
Laut Vertrag erteilten die Angehörigen Scene-2-Clean die Erlaubnis, sämtliche Sachen zu entsorgen, die mit Blut
verschmiert oder sonstwie verschmutzt waren. Ganze Möbelstücke, Dielenbretter und, wenn nötig, auch Zwischenwände aus Gips kamen oftmals in den Müll. Sadie hatte zwischenzeitlich eine gewisse Achtung vor Hochglanzlack, weil er nichts aufsog und die Arbeit leicht machte.
Auf einem Regal standen mehrere Fotos in passenden
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