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Ghost Street

Ghost Street

Titel: Ghost Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Ericson
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wissen?«
    »Haben Sie gesehen, wie … haben Sie die Mörder gesehen, Ma’am?«
    Sie nickte schwach. Über ihre Wangen kullerten Tränen. »Sie hatten mich eingeschlossen, aber … aber ich konnte durch das Fenster sehen, wie sie meinen Mann …« Sie weinte heftig und brauchte eine Weile, um sich wieder zu beruhigen. »Ich war gefangen in meinem eigenen Haus. Als ich aus dem Fenster klettern wollte, trieben mich die Klansmänner zurück … auch die Kinder. Es war der Ku-Klux-Klan … so wie damals bei Homers Onkel. Sie haben Homer … sie haben meinen Mann aufgehängt. Ich bin nur froh, dass ich die Kinder vom Fenster wegdrängen konnte … sie haben nichts gesehen.«
    »Wie viele Männer waren es?«
    »Sieben … ja, sieben, glaube ich.«
    Vier weniger als bei dem Mord vor vierzig Jahren. Entweder hatte der Killer einen Fehler gemacht oder nicht mehr Männer zusammenbekommen.
    »Haben Sie jemanden erkannt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sie trugen alle diese schrecklichen Kutten und Kapuzen. Aber …« Sie putzte sich mit dem Taschentuch, das sie in der Hand hielt, die Nase. »Aber einer war dagegen, dass sie Homer …« Sie weinte wieder. »Dass sie ihn … dass sie …«
    »Lassen Sie sich Zeit, Ma’am.«
    Sie weinte in ihr Taschentuch. »Er wollte nicht, dass sie ihn töteten. Homer … mein Mann … er hat ihn erkannt und er hat ihn ›Apotheker‹ genannt.«
    »Apotheker? Welcher Apotheker?«
    »Ich weiß nicht.« Ihre Tränen verebbten und sie schniefte nur noch. »Unserer kann es nicht gewesen sein, der Apotheker in Meldrim, bei dem wir unsere Medikamente holen … er ist ein Schwarzer.«
    »Gab es einen Anführer.«
    »Ja, ein Mann gab die Befehle. Er sprach sehr … gebildet, gar nicht wie ein Verbrecher, und er hat meinem Mann …« Sie begann wieder zu weinen. »Er hat ihm die Schlinge um den Hals gelegt, als wäre er ganz wild darauf, ihn umzubringen.«
    »Ist Ihnen sonst noch etwas an dem Mann aufgefallen? Außer seiner Sprache, meine ich? War er groß oder klein? Konnten Sie seine Schuhe sehen? Hatte er einen Sprachfehler? Sprach er einen bestimmten Dialekt?«
    Mary-Beth Middleton überlegte eine Weile, tupfte sich mit dem Taschentuch die Tränen aus den Augen und hielt den Blick unverwandt in die Scheinwerfer gerichtet, als könnte das Licht die schrecklichen Bilder in ihrem Kopf auslöschen. »Der Mörder ist ein Weißer, so viel ist sicher. Ich erkenne einen Weißen am Gang. Und er kommt aus dem Süden. Alabama, Georgia, Mississippi. Einen besonders starken Dialekt sprach er nicht, aber an einigen Ausdrücken konnte man es erkennen. Ansonsten war er Durchschnitt. Ich hab nicht viel von ihm gesehen, ich war …«
    »Schon gut, Ma’am«, beruhigte Jenn die Witwe. »Sie haben uns sehr geholfen. Wir kriegen die Mörder Ihres Mannes, das verspreche ich Ihnen.«
    Zum ersten Mal während des Verhörs drehte die Frausich zu Jenn um. »Was soll ich denn jetzt tun, Detective? Ich habe drei Kinder. Wie soll ich die mit meinem Lohn als Zimmermädchen über die Runden bringen? Können Sie mir das sagen?«
    »Sie sind stark, Ma’am.« Eine andere Antwort fiel Jenn nicht ein. »Sie werden einen Weg finden. Vielleicht hilft Ihnen der Staat … die Regierung?«
    »Der Staat? Die Regierung? Dass ich nicht lache.« Sie ging zur Couch und ließ sich ins Polster fallen. »Eher regnet es Goldtaler, als dass die Regierung einer armen Schwarzen hilft.«

24
    Es war bereits nach drei Uhr, als Alessa nach Savannah zurückfuhr. Die Ereignisse der Nacht hatten ihr schwer zugesetzt, der Anblick des gelynchten schwarzen Farmers, die Tränen seiner Witwe und der Kinder, an Schlaf war in dieser Nacht wohl nicht mehr zu denken. Selbst für eine Staatsanwältin wie sie, die in ihrem Beruf so einiges gewohnt war und mit den gefährlichsten Verbrechern zu tun hatte, gab es noch Morde, die sie aus dem Gleichgewicht brachten, und diese schreckliche Mordserie gehörte dazu.
    Sie war fast allein auf dem Highway. Nur alle paar Minuten kam ihr ein Fahrzeug entgegen. Auch der FBI-Agent, der Lieutenant und die Detectives waren schon weggefahren. Die Witwe und die Kinder hatte der Krankenwagen zur Beobachtung ins Krankenhaus mitgenommen. Nur die Crime Scene Unit war noch am Tatort und suchte verzweifelt nach Spuren. Die Cops würden dort jeden Stein umdrehen und wahrscheinlich nichts finden.
    An einsam gelegenen Feldern vorbei fuhr Alessa der Stadt entgegen. Sie hatte das Radio ausgeschaltet, und das leise Brummen des Motors und

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