Ghost Street
und erwischte eine Ölspur.
Die Reifen verloren den Halt und ihr BMW geriet ins Schleudern. Wie auf spiegelblankem Eis rutschte der Wagen über den glatten Asphalt, prallte gegen den Bordstein, drehte sich einmal um die eigene Achse und glitt auf die rechte Spur zurück. Nur weil sonst kein Verkehr war, kam sie ungeschoren davon. Sie blieb mit kreidebleichem Gesicht sitzen und starrte mit großen Augen in die Dunkelheit.
Der Mann im Ford Taurus war verschwunden, und sie war viel zu geschockt, um ihm noch weiter zu folgen. Ihr Dreher hätte leicht in einem Crash enden oder zumindest einen satten Blechschaden an ihrem BMW zur Folge haben können. Immer noch leicht unter Schock fuhr sie an den Straßenrand und atmete erst einmal tief durch.
Vielleicht war der Dämpfer gerade noch im richtigen Augenblick gekommen. Ein paar Meilen weiter, wenn sie es geschafft hätte, ihn in die Enge zu treiben, hätte er sie vielleicht gerammt oder wäre aus dem Wagen gesprungen und hätte sie bedroht oder geschlagen. In einer aufgeheizten Situation war alles möglich. Das Risiko war es nicht wert. Sie würde der Polizei die Nummer geben, auch wenn die Hoffnung, den Kerl zu erwischen, nur gering war, und das Fenster würde ihre Versicherung bezahlen. Dazu war sie schließlich da. Mein Gott, es ging doch nur um eine Fensterscheibe. Kein Grund, den Täter durch die halbe Stadtzu verfolgen. Oder ging es um mehr? War der Stein eine Warnung gewesen? Wollte man sie davon abhalten, sich weiter um den Fall zu kümmern? Owen Murrell konnte es nicht gewesen sein, der lag im Krankenhaus. Jemand vom Ku-Klux-Klan?
Alessa stieg aus dem Wagen, um sich an der frischen Luft von ihrer Verfolgungsjagd und dem Beinahe-Unfall zu erholen, und atmete die kühle Nachtluft ein. Erst jetzt erkannte sie, dass sie vor dem Haupteingang des Colonial Park Cemetery geparkt hatte. Nur Zufall?
Sie schloss die Autotür und betrat, wie von einer magischen Kraft angezogen, den Friedhof. In den Nebelschwaden, die wieder über der Stadt hingen, verschwammen die wenigen Lichter und die Grabsteine hoben sich als dunkle Schatten vom grauen Nebel ab. Alessas Blick wanderte unwillkürlich zu dem Gebüsch, hinter dem der Eingang zu ihrem Geheimtunnel versteckt lag. Sie würde den Gang melden müssen, damit die Stadt ihn zumauern ließ, bevor jemand auf die Idee kam, sich durch den Tunnel in ihr Haus zu schleichen.
Im Schatten einiger mächtiger Eichen, die einen dichten Baldachin über dem Kiesweg bildeten, schlenderte sie an den Gräbern entlang. Eine seltsame Ruhe ging von ihnen aus, als wollten die Toten sie daran erinnern, dass das Leben nicht nur aus Hektik bestand. Die Ruhe tat ihr gut, obwohl es inzwischen schon auf vier Uhr zuging und sie in dieser Nacht noch keine Minute geschlafen hatte.
Die dunkle Gestalt auf der Parkbank entdeckte sie erst spät. Obwohl er nur schemenhaft zu sehen war, erkannte sie den Mann sofort. »David!«, rief sie erstaunt. »Was tust du denn hier? Weißt du, wie spät es ist?«
Er schien nicht überrascht zu sein, sie auf dem Friedhof zu treffen. »Ich gehe gerne hier spazieren, habe ich dir dasnicht gesagt?« Sein Lächeln brachte etwas Licht in das trübe Halbdunkel. »Und um die Uhrzeit kümmere ich mich schon lange nicht mehr. Ich besitze überhaupt keine Uhr.« Er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sich neben ihn zu setzen. »Ohne Uhr lebt es sich viel besser, glaube mir.«
Sie folgte seiner Aufforderung. Schon während sie sich setzte, spürte sie die unnatürliche Wärme, die von ihm ausging. »Ich wäre ohne Uhr verloren.«
»So dachte ich auch mal.« Er verzauberte sie mit seinem Lächeln, war versucht, sie zu berühren, und zog seine Hände wieder zurück. Seine Miene wurde ernst. »Dich trifft keine Schuld, Alessa. Du hättest den Mord nicht verhindern können. Selbst wenn du früher gekommen wärst, hättest du nichts gegen die Klansmänner ausrichten können. Sie sind gefährlich.«
Alessa blickte ihn erstaunt an. »Woher weißt du, was passiert ist? Du warst vorhin auf der Farm so plötzlich verschwunden.«
»So was spricht sich schnell rum.« Er stand auf und streckte die Hand nach ihr aus. »Wollen wir ein Stück gehen? Du frierst doch sicher schon.«
Sie war ohne Jacke unterwegs, spürte den milden Nachtwind aber kaum. Kein Vergleich mit dem Blizzard, den sie in ihrem Traum erlebt hatte. Oder war es gar kein Traum gewesen? Und als sie nach seiner Hand griff und die seltsame Wärme spürte, die aus seiner Hand in
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