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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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dass ich zu ihm ins Waldorf komme.«
    Rycart saugte die Backen ein und dachte nach.
    »Gehen Sie hin«, sagte er.
    »Und wenn das eine Falle ist?«
    »Natürlich ist es ein Risiko, aber wenn Sie nicht gehen, würde das komisch aussehen. Er würde bestimmt Verdacht schöpfen. Sagen Sie zu, los, und dann schnell auflegen.«
    Ich drückte wieder auf die Stummtaste.
    »Hallo, Adam? Da bin ich wieder.« Ich versuchte so gelassen wie möglich zu klingen. »Super Idee. Ich komm dann gleich rüber.«
    Rycart fuhr sich mit ausgestrecktem Zeigefinger über die Kehle.
    »Was machen Sie eigentlich in New York?«, fragte Lang. »Ich dachte, Sie hätten jede Menge Arbeit?«
    »Ich wollte mich mit John Maddox treffen.«
    »Ah so, und wie war’s?«
    »Bestens. Also, ich mach mich dann auf den Weg.«
    Rycart schlitzte sich immer dringlicher die Kehle auf.
    »Wir hatten zwei wunderbare Tage«, sagte Lang, als hätte er mir gar nicht zugehört. »Die Amerikaner sind fantastisch. Wissen Sie, erst wenn’s eng wird, erkennt man, wer seine wahren Freunde sind.«
    Bildete ich mir das nur ein, oder hatte er den letzten Satz extra für mich besonders nachdrücklich betont?
    »Schön«, sagte ich. »Ich beeile mich. Bis gleich dann, Adam.«
    Ich beendete das Gespräch. Meine Hand zitterte.
    »Gut gemacht«, sagte Rycart. Er stand auf und nahm seinen Mantel vom Bett. »Wir haben etwa zehn Minuten, um von hier zu verschwinden. Packen Sie Ihren Kram zusammen.«
    Mechanisch sammelte ich die Fotos ein, verstaute sie im Koffer und zog den Reißverschluss zu, während Rycart ins Bad ging und geräuschvoll pinkelte.
    »Wie hat er sich angehört?«, rief Rycart.
    »Gut drauf.«
    Er spülte, tauchte in der Badtür auf und knöpfte sich die Hose zu. »Tja, dagegen werden wir wohl etwas unternehmen müssen, oder?«
    Im Lift hinunter in die Lobby drängelten sich Mitglieder der Kirche der Letzten Tage der Online-Händler oder wie zum Teufel die sich auch immer nannten. Der Lift hielt in jeder Etage. Rycart wurde immer nervöser.
    »Man darf uns nicht zusammen sehen«, flüsterte Rycart, als wir im Erdgeschoss ausstiegen. »Bleiben Sie etwas zurück, wir treffen uns dann auf dem Parkplatz.«
    Er beschleunigte seine Schritte und ging voraus. Frank war schon aufgestanden – wahrscheinlich hatte er mitgehört und kannte unsere Absprache. Ohne ein Wort miteinander zu wechseln, gingen die beiden zum Ausgang: der elegante, silbergraue Rycart und sein vierschrötiges, verwittertes Faktotum. Was für ein Duo, dachte ich. Ich bückte mich, tat so, als bände ich mir die Schuhe zu, und machte mich dann gemächlich und mit gesenktem Kopf auf den Weg quer durch die Lobby, wobei ich plaudernde Hotelgäste großzügig umkurvte. Die ganze Situation kam mir inzwischen so absurd vor, dass ich still vor mich hin lächelte, als ich schließlich die vor der Drehtür wartende Menschentraube erreichte. Es war wie in einer Farce von Feydeau: Jede neue Szene war noch mehr an den Haaren herbeigezogen als die davor und war doch, wenn man sie genau betrachtete, eine logische Fortschreibung der vorangegangenen Szene. Genau das spielte sich gerade ab: eine Farce! Während ich nämlich darauf wartete, ins Freie geschleust zu werden, sah ich Emmett, oder zumindest glaubte ich, Emmett zu sehen. Plötzlich lächelte ich nicht mehr.
    Die große Drehtür des Hotels hatte mehrere Kammern, die jeweils Platz für fünf oder sechs Leute boten, die im richtigen Augenblick mit einem großen Schritt die Kammer betreten und dann sofort – um den Vordermann nicht anzurempeln – langsam trippelnd wie Kettensträflinge weiterschlurfen mussten. Glücklicherweise befand ich mich in der Mitte meiner Gruppe, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass Emmett mich nicht sah. Er war der mittlere von drei nebeneinander stehenden Männern, die durch die Drehtür ins Hotel gingen. Als hätten sie es furchtbar eilig, drückten alle drei mit den Händen gegen die Glasscheibe.
    Als wir in die Abendluft hinaustraten, wäre ich fast gestolpert, so eilig hatte ich es, mich aus dem Staub zu machen. Mein Koffer kippte auf die Seite, und ich zerrte ihn hinter mir her wie einen widerspenstigen Hund. Der Parkplatz war von der Auffahrt zum Hotel durch ein Blumenbeet abgetrennt. Anstatt außen herumzugehen, marschierte ich mittendurch. Auf dem Parkplatz leuchteten zwei Scheinwerfer auf und kamen langsam näher. In letzter Sekunde riss der Fahrer den Wagen herum, und die Hintertür schwang auf.
    »Steigen Sie ein«,

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