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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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an seinen trostlosen Blick ganz am Ende des Fluges nicht auslöschen.
    »Mrs Bly fragt sich, ob Mr Lang seinen Mörder nicht vielleicht sogar erkannt hat und absichtlich auf ihn zugegangen ist, weil er wusste, dass so etwas passieren könnte ...«
    »Ja«, sagte ich zu Rick. »Ich hab ihn gemocht.«
    »Na also, du bist ihm das schuldig. Außerdem ist da noch ein anderer Aspekt zu bedenken.«
    »Und der wäre?«
    »Sid Kroll sagt, wenn du deinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommst und das Buch nicht fertigstellst, dann klagt er dir die Eier unterm Arsch weg.«
     
     
     
    *
    Und so kehrte ich nach London zurück. In den ersten sechs Wochen setzte ich keinen Fuß vor die Tür, außer einmal, ganz am Anfang, als ich mit Kate zum Essen ging. Wir trafen uns in einem Restaurant in Notting Hill Gate, in der Mitte zwischen unseren beiden Wohnungen, Territorium, so neutral wie die Schweiz und in etwa so teuer. Adam Langs Tod, die Art, wie er umgekommen war, schien sogar ihre Feindseligkeit besänftigt zu haben, zudem umwehte mich wohl ein wenig der Glamour des Augenzeugen. Ich hatte eine große Anzahl von Interviewwünschen abgelehnt, sodass Kate – von den Männern des FBI und MI5 abgesehen – der erste Mensch war, dem ich schilderte, was passiert war. Ich wollte ihr unbedingt von meiner letzten Unterhaltung mit Lang erzählen. Und das hätte ich auch. Aber wie es manchmal so läuft, gerade als ich loslegen wollte, kam der Kellner und erkundigte sich, was wir zum Dessert wollten, und als er wieder weg war, verkündete Kate, dass sie mir zuerst etwas erzählen müsse.
    Sie hatte sich verlobt.
    Ich gestehe, ich war schockiert. Ich mochte den anderen Mann nicht. Eine bekannte Person, Sie würden ihn kennen, wenn ich den Namen nennen würde: kantig, attraktiv, gefühlvoll. Seine Spezialität: in die übelsten Krisengebiete der Welt einzufliegen und mit bewegenden Beschreibungen menschlichen Leidens, gewöhnlich seines eigenen, wieder auszufliegen.
    »Gratuliere«, sagte ich.
    Wir ließen das Dessert ausfallen. Unsere Affäre, unsere Beziehung – unsere Sache , was immer es auch gewesen war – endete zehn Minuten später auf dem Gehweg vor dem Restaurant mit einem spitzen Küsschen auf die Wange.
    »Du wolltest mir eben noch was erzählen«, sagte sie, kurz bevor sie ins Taxi stieg. »Tut mir leid, dass ich dir ins Wort gefallen bin. Aber ich wollte nicht, dass du etwas sagst, ich meine, etwas vielleicht sehr Persönliches, ohne dass du weißt, wie die Dinge stehen zwischen mir und ...«
    »War nicht so wichtig«, sagte ich.
    »Ist alles in Ordnung mit dir? Du kommst mir irgendwie verändert vor.«
    »Alles bestens.«
    »Wenn du mich brauchst, ich bin immer für dich da.«
    »Da?«, sagte ich. »Keine Ahnung, wo du bist, aber ich bin hier. Wo ist da?«
    Ich hielt ihr die Tür des Taxis auf. Wohl oder übel bekam ich mit, dass die Adresse, die sie dem Fahrer nannte, nicht die ihre war.
    Danach zog ich mich aus der Welt zurück. Jede wache Stunde verbrachte ich mit Lang, und jetzt, da er tot war, traf ich plötzlich seinen Tonfall. Jeden Morgen, wenn ich mich an den Computer setzte und auf die Schriftzeichen der Tastatur blickte, hatte ich das Gefühl, als blickte ich auf die Zeichen eines Ouija-Bretts. Wenn meine Finger einen Satz tippten, der sich falsch anhörte, spürte ich den fast physischen Zwang, auf die Löschtaste zu drücken. Ich war wie ein Drehbuchschreiber, der Dialoge für einen besonders anspruchsvollen Star verfasst: Ich wusste, er würde dies sagen, aber nie das; er würde diese Szene so spielen und nicht so.
    Für die Grundstruktur der Geschichte hielt ich mich an McAras sechzehn Kapitel. Während ich schrieb, lag links von mir immer sein Manuskript: Ich schrieb es komplett neu und schied während des Prozesses, in dem der Text durch mein Gehirn und meine Finger in den Computer floss, all die ungelenken Klischees meines Vorgängers aus. Natürlich erwähnte ich Emmett mit keinem Wort, ich strich sogar sein kraftloses Zitat, das McAra im ersten Absatz des Schlusskapitels verwendet hatte. Ich schilderte der Welt einen Adam Lang, der im Wesentlichen der Rolle entsprach, die er selbst immer am liebsten gespielt hatte: die des normalen Burschen, der fast zufällig in die Politik geraten war und der deshalb bis an die Spitze aufgestiegen war, weil er weder Stallgeruch noch eine Ideologie hatte. Ich verwob das mit der Chronologie der Ereignisse, indem ich Ruths Vermutung aufgriff, Lang habe nach seinem

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