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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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»Kampf um die Führung«, »Partei im Wandel«, »Sieg an der Wahlurne«, »Reform der Regierung«, »Nordirland«, »Europa«, »Das besondere Verhältnis«, »Die zweite Amtszeit«, »Die Kampfansage des Terrors«, »Krieg gegen den Terror«, »Kurs halten«, »Kein Zurückweichen«, »Der Abschied«, »Eine hoffnungsvolle Zukunft«. Jedes Kapitel war zwischen dreißig und sechzig Seiten lang und weniger geschrieben als aus Reden, offiziellen Protokollen, Kommuniqués, Memoranden, Interviewabschriften, Terminkalendern, Parteimanifesten und Zeitungsartikeln zusammengestückelt. Gelegentlich erlaubte sich Lang ein privates Gefühl (»als unser drittes Kind auf die Welt kam, war ich überglücklich«), eine persönliche Beobachtung (»der amerikanische Präsident war viel größer, als ich erwartet hatte«) oder eine scharfe Bemerkung (»als Außenminister schien es Richard Rycart des Öfteren vorzuziehen, Anliegen anderer Länder an Großbritannien heranzutragen als umgekehrt«) – allerdings nicht sehr häufig und ohne sonderlich große Wirkung. Und wo war seine Frau? Sie wurde kaum erwähnt.
    »Ein Haufen Scheiße«, hatte Rick das genannt. Eigentlich war es noch schlimmer. Scheiße hatte wenigstens, um Gore Vidal zu zitieren, eine ihr eigene Integrität. Dieses Manuskript war ein Haufen Nichts. Es war peinlich präzise und insgesamt dennoch eine Lüge – zwangsläufig, dachte ich. Kein menschliches Wesen konnte durchs Leben gehen und so wenig dabei fühlen. Vor allem nicht so jemand wie Adam Lang, dessen politisches Kapital sein emotionales Einfühlungsvermögen war. Ich blätterte vor zum Kapitel »Krieg gegen den Terror«. Wenn es etwas gab, was den amerikanischen Leser interessieren könnte, dann müsste es hier stehen. Ich überflog die Seiten auf der Suche nach Worten wie »außerordentliche Überstellung«, »Folter«, »CIA«. Ich fand nichts, und natürlich wurde auch die »Operation Tempest« nicht erwähnt. Und der Krieg im Nahen Osten? Hier würden sich doch bestimmt einige milde Worte der Kritik am Präsidenten der USA finden, an seinem Verteidigungs- oder Außenminister, irgendein Hinweis auf Verrat oder Enttäuschung, irgendein Knüller aus den Kulissen oder ein bis dato geheimes Dokument. Nein. Nichts. Nirgends. Ich musste würgen, im wörtlichen wie übertragenen Sinn, blätterte wieder zurück und fing von vorn an zu lesen.
    Irgendwann musste mir Alice, die Sekretärin, ein Thunfischsandwich und eine Flasche Mineralwasser gebracht haben, am Nachmittag sah ich nämlich beides zufällig am Rand des Schreibtischs stehen. Aber ich war zu beschäftigt, um eine Pause einzulegen, außerdem hatte ich keinen Hunger. Mir wurde sogar langsam gründlich übel, während ich mich durch die sechzehn Kapitel quälte und an der senkrechten weißen Felswand aus konturloser Prosa nach einem winzigen interessanten Halt suchte, an den ich mich festklammern konnte. Kein Wunder, dass sich McAra von der Martha’s-Vineyard-Fähre gestürzt hatte. Kein Wunder, dass Maddox und Kroll nach London geflogen waren, um den Versuch zu unternehmen, das Projekt noch zu retten. Kein Wunder, dass sie mir fünfzigtausend Dollar die Woche zahlten. All diese scheinbar bizarren Ereignisse entpuppten sich angesichts des katastrophalen Manuskripts als absolut logisch. Jetzt war es meine Reputation, die sich im Sturzflug befand, festgeschnallt auf dem Rücksitz von Adam Langs Kamikaze-Wasserflugzeug. Auf Verlagsfesten würde man mit dem Finger auf mich zeigen, auf den Ghost, der am größten Flop der Literaturgeschichte mitgewirkt hatte – vorausgesetzt, man würde mich jemals wieder auf ein Verlagsfest einladen. In einem plötzlichen paranoiden Geistesblitz glaubte ich meine wahre Rolle in dieser Operation zu erkennen: die des Sündenbocks.
    Gegen drei Uhr las ich den letzten Satz der sechshunderteinundzwanzig Seiten (»was immer die Zukunft auch bringen mag, Ruth und ich sehen ihr hoffnungsvoll entgegen«). Ich legte das Manuskript auf den Tisch, presste die Hände an die Backen und riss Mund und Augen weit auf: eine passable Imitation von Edvard Munchs Der Schrei.
    In diesem Augenblick hörte ich ein Räuspern, schaute auf und sah Ruth Lang, die in der Tür stand. Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, wie lange sie schon da gestanden hatte. Sie hob eine schmale schwarze Augenbraue.
    »So schlecht?«, sagte sie.
     
    *
     
    Sie trug einen dicken, konturlosen weißen Männerpullover. Die Ärmel waren so lang, dass man nur ihre

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