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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Rhinehart im Stiftungsrat des Metropolitan Museum of Art; Rhineharts zweite Ehefrau war eine Bollywood-Schauspielerin, die fünfzig Jahre jünger war als er und die er auf Anraten seiner Bankiers geheiratet hatte, um den indischen Markt zu knacken.)
    Irgendwo im Inneren des Hauses brüllte eine Frau mit britischem Akzent: »Das ist doch vollkommen lächerlich!« Eine Tür knallte, dann stöckelte eine elegante Blonde in dunkelblauem Blazer und Rock auf High Heels durch den Korridor. Sie trug ein schwarz-rotes A4-Ringbuch unter dem Arm.
    »Amelia Bly«, sagte sie mit starrem Lächeln. Sie war wahrscheinlich fünfundvierzig, konnte aber aus einiger Entfernung für zehn Jahre jünger durchgehen. Sie hatte wunderschöne, klare blaue Augen, trug aber zu viel Make-up – als arbeitete sie in der Kosmetikabteilung eines Kaufhauses und war gezwungen worden, die gesamte Produktpalette auf einmal vorzuführen. Ich nahm an, dass sie die heute Morgen von der Times erwähnte Sprecherin war. »Leider ist Adam in New York und wird erst irgendwann am Nachmittag wieder zurück sein.«
    »Weißt du was? Vergiss, was ich gerade gesagt habe!«, brüllte die unsichtbare Frau. »Das ist nicht nur absolut lächerlich, es ist einfach beschissen !«
    Amelias Lächeln wurde noch um eine Idee breiter, wodurch sich in ihren glatten rosafarbenen Wangen winzige Risse auftaten.
    »Oje. Tut mir schrecklich leid. Aber ich fürchte, unsere arme alte Ruth hat mal wieder ›einen von diesen Tagen‹.«
    Ruth. Inmitten der afrikanischen Stammeskunst hallte der Name kurz nach wie ein warnender Trommelwirbel oder das Schwirren eines fliegenden Speers. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass Langs Frau hier sein könnte. Ich hatte angenommen, sie sei zu Hause in London. Sie war berühmt für ihre Selbstständigkeit, unter anderem.
    »Wenn es gerade nicht passt...«, sagte ich.
    »Nein, nein. Sie will Sie unbedingt kennenlernen. Sie trinken jetzt einen Kaffee, und ich hole Ruth. Wie ist das Hotel?«, fragte Amelia, wobei sie sich halb zu mir umdrehte. »Ruhig?«
    »Wie ein Grab.«
    Ich nahm dem Sicherheitsbeamten meine Tasche ab und folgte ihr, umhüllt von einer Duftwolke, ins Innere des Hauses. Mir fiel auf, dass sie sehr schöne Beine hatte. Ihre Nylonstrümpfe knisterten beim Gehen. Sie führte mich in einen Raum mit cremefarbenen Ledermöbeln, schenkte mir aus einer Kanne, die auf einer Anrichte in der Ecke stand, eine Tasse Kaffee ein und verschwand wieder. Mit der Tasse in der Hand stand ich eine Zeit lang vor der Terrassentür und ließ meinen Blick über den rückwärtigen Teil des Anwesens schweifen. Wahrscheinlich wuchsen keine empfindlichen Pflanzen auf diesem unwirtlichen Stück Erde, jedenfalls gab es nirgends irgendwelche Blumenbeete, nur eine große Rasenfläche, die nach etwa hundert Metern in stoppeliges braunes Gestrüpp überging. Dahinter lag unter dem unermesslichen Himmel aus Aluminium ein See, so glatt wie eine Stahlplatte. Nach links stieg das Gelände bis zu den Dünen leicht an, dahinter lag der Strand. Das Meer konnte ich nicht hören. Die Glastüren waren zu dick – kugelsicher, wie ich später erfuhr.
    Hastiges Morsegeklapper aus dem Gang verriet mir, dass Amelia Bly im Anmarsch war.
    »Es tut mir schrecklich leid. Ruth ist im Moment leider zu beschäftigt. Sie lässt sich entschuldigen, Sie sehen sie dann später.« Amelias Lächeln war ein klein wenig härter geworden. Es sah so natürlich aus wie ihr Nagellack. »Wenn Sie ausgetrunken haben, zeige ich Ihnen die Arbeitsräume.«
    Sie bestand darauf, dass ich vor ihr die Treppe hinaufging.
    Das Haus, so erklärte sie mir, sei so gebaut, dass sich alle Schlafzimmer im Erdgeschoss befänden und der Wohnbereich darüber. Als wir das riesige offene Wohnzimmer betraten, verstand ich, warum. Die der Küste zugewandte Seite war ganz aus Glas. Nichts von Menschenhand Gemachtes lag im Blickfeld: nur der See, das Meer und der Himmel. Eine Urlandschaft, unverändert seit zehntausend Jahren. Durch das schalldichte Glas und die Fußbodenheizung entstand der Eindruck, man sei in einer luxuriösen Zeitkapsel ins Neolithikum zurückgeschleudert worden.
    »Nettes Haus«, sagte ich. »Nachts vielleicht ein bisschen einsam.«
    »Wir sind nicht zur Erholung hier«, sagte Amelia.
    Ich folgte ihr in ein an den Wohnraum angrenzendes großes Bürozimmer, wo Marty Rhinehart wahrscheinlich in den Ferien arbeitete. Die Aussicht war hier ähnlich, außer dass aus diesem Winkel das Meer besser zur

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