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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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einer der Sicherheitsleute. »Hab nicht gewusst, dass hier oben jemand ist.«
     
     
    *
     
    Es handelte sich um den Probealarm, den sie einmal die Woche durchführten. Ich glaube, sie nannten das »Abschottung«. Rhineharts Sicherheitsteam hatte das System gegen Terrorangriffe installiert, gegen Kidnapping, Wirbelstürme, die Börsenaufsicht oder welches Schreckgespenst auch immer gerade durch die schlaflosen Nächte der Fortune 500 geisterte. Als die Rollos wieder eingefahren wurden und das bleiche verwaschene Licht des Atlantiks ins Haus zurückkehrte, betrat Amelia das Wohnzimmer und entschuldigte sich, dass sie mich nicht vorgewarnt habe. »Muss Ihnen einen ganz schönen Schrecken eingejagt haben.«
    »Kann man so sagen.«
    »Allerdings wusste ich auch nicht, wo Sie sich gerade rumtreiben.« Ein Hauch von Misstrauen lag in ihrer manikürten Stimme.
    »Das ist ein großes Haus, und ich bin ein großer Junge. Sie können nicht die ganze Zeit auf mich aufpassen.« Ich bemühte mich um einen entspannten Ton, aber mir war klar, dass mein Unbehagen mit Händen zu greifen war.
    »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf ...« Ihre glänzenden blassroten Lippen öffneten sich zu einem Lächeln, aber das klare Blau ihrer großen Augen war so kalt wie Kristall. »... streunen Sie nicht zu oft auf eigene Faust durchs Haus. Die Sicherheitsleute mögen das nicht.«
    »Alles klar«, sagte ich und erwiderte ihr Lächeln.
    Das Quietschen von Gummisohlen auf poliertem Holz war zu hören, und dann sah ich Lang in rasendem Tempo, zwei oder drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hochspurten. Um den Hals hing ein Handtuch, sein Gesicht war rot angelaufen, das dichte, wenige Haar feucht und dunkel vom Schweiß. Er schien auf irgendetwas wütend zu sein.
    »Haben Sie gewonnen?«, fragte Amelia.
    »Wir haben dann doch nicht Tennis gespielt.« Laut ausatmend ließ er sich auf eines der Sofas fallen, beugte sich vor und nibbelte sich mit dem Handtuch den Kopf ab. »Fitnessraum.«
    Fitnessraum? Ich schaute ihn verblüfft an. Hatte er nicht schon vor meiner Ankunft einen Strandlauf hinter sich gebracht? Wofür trainierte er? Für Olympia?
    Um Amelia zu beweisen, wie unbeeindruckt ich war, sagte ich aufgeräumt: »Und? Machen wir uns wieder an die Arbeit?«
    Er schaute mich zornig an und blaffte: »Was wir da machen, das nennen Sie Arbeit ?«
    Das war das erste Mal, dass so etwas wie schlechte Laune bei ihm aufblitzte. Mit der Wucht einer Erleuchtung wurde mir auf einmal klar, dass die ganze Lauferei und Gewichtheberei nicht das Geringste mit Training zu tun hatten. Er machte es nicht einmal, weil er Spaß daran hatte. Es war einfach etwas, wonach sein Stoffwechsel verlangte. Er war wie ein seltenes Meerestier, das nur unter extremem Druck im tiefsten Ozean leben konnte und jetzt an den Strand geworfen worden war. Der dünnen Luft des normalen Lebens ausgesetzt, befand Lang sich ständig in Gefahr, an schierer Langeweile einzugehen.
    »Und ob ich das Arbeit nenne«, sagte ich steif. »Für beide von uns. Aber wenn Sie der Meinung sind, dass Sie das intellektuell unterfordert, können wir auch sofort Schluss machen.«
    Jetzt bin ich zu weit gegangen, dachte ich. Aber dann, unter Aufbietung eines Höchstmaßes an Selbstbeherrschung, quälte er sich ein müdes Grinsen ins Gesicht – man konnte praktisch sehen, wie die komplizierte Maschinerie seiner Gesichtsmuskeln ansprang, wie all die kleinen Hebel, Rollen und Kabel zusammenarbeiteten. »Okay, Mann«, sagte er mit tonloser Stimme. »Sie haben gewonnen.«
    Dann schnalzte er mit dem Handtuch nach mir. »War nur Spaß. Also los, machen wir uns wieder ran.«

SIEBEN
    »Es kommt ziemlich oft vor, besonders bei der Arbeit an Memoiren oder einer Autobiografie, dass Ihr Auftraggeber beim Erzählen einer Begebenheit in Tränen ausbricht. In diesem Fall heißt es: Taschentuch zücken, Mund halten, Band weiterlaufen lassen.«
    »GHOSTWRITER«
     
     
    »Haben sich denn Ihre Eltern für Politik interessiert?«
    Wir waren wieder im Arbeitszimmer und hatten unsere alten Plätze eingenommen. Er rekelte sich auf dem Armsessel, noch im Trainingsanzug und mit dem Handtuch um den Hals. Er dünstete einen leichten Schweißgeruch aus. Ich saß ihm mit meinem Notizbuch und der Fragenliste gegenüber. Der Minidisc-Rekorder stand neben mir auf dem Schreibtisch.
    »Nicht im Geringsten. Ich bin mir nicht mal sicher, ob mein Vater überhaupt jemals wählen gegangen ist. Er hat immer gesagt, einer ist so übel wie der

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