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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Lang mit seiner angeborenen Gabe für Empathie begriff das sofort, weil wir nämlich nicht nur seine Kindheit aufdröselten, sondern auch meine und die jedes anderen Menschen, der im England der Fünfziger zur Welt kam und in den Siebzigern erwachsen wurde.
    »Wir müssen Folgendes hinkriegen«, sagte ich zu ihm. »Wir müssen den Leser dazu bringen, dass er sich emotional mit Adam Lang identifiziert. Dass er über die entrückte Gestalt in der gepanzerten Limousine hinausblickt. Dass er an ihm die gleichen Dinge erkennt, die er von sich selbst kennt. Weil, und wenn ich eine Sache über unser Geschäft weiß, dann das: Wenn man die Sympathie des Lesers erst mal gewonnen hat, dann folgt er einem überallhin.«
    »Verstanden«, sagte er und nickte entschieden. »Das ist brillant.«
    Und so tauschten wir Stunde um Stunde Erinnerungen aus. Ich behaupte nicht, dass wir gemeinsam eine Kindheit für Adam Lang ausheckten – ich achtete immer darauf, nicht von den bekannten historischen Fakten abzuweichen –, aber wir warfen doch unsere Erfahrungen in einem Maß zusammen, dass sich einige von meinen Erinnerungen unausweichlich mit seinen vermischten. Man mag das schockierend finden. Ich selbst war schockiert, als ich das erste Mal einen meiner Auftraggeber im Fernsehen sah, der mit rührseliger Stimme eine ergreifende Begebenheit aus seiner Vergangenheit erzählte, die eigentlich aus meiner Vergangenheit stammte. Aber das ist der Punkt. Menschen, die im Leben Erfolg haben, schauen selten zurück. Ihr Blick ist immer in die Zukunft gerichtet: Deshalb sind sie erfolgreich. Es gehört nicht zu ihrem Wesen, sich daran zu erinnern, was sie gefühlt oder welche Kleidung sie getragen haben, wer da und dort noch dabei war, wie das frisch geschnittene Gras duftete, als sie nach der Trauung vor die Kirche traten, oder wie fest das erste Kind ihren Finger umklammerte. Deshalb brauchen sie einen Ghost – damit sie wieder so lebendig werden, wie sie waren.
    Wie sich herausstellte, dauerte die Zusammenarbeit mit Lang nicht sehr lange, aber ich kann ehrlich behaupten, dass ich nie einen aufgeschlosseneren Auftraggeber hatte. Wir entschieden, dass seine erste Erinnerung die sein sollte, als er im Alter von drei Jahren von zu Hause weglaufen wollte, wie er hinter sich die näher kommenden Schritte seines Vaters hörte, wie er dessen harte muskulöse Arme spürte, die ihn hochhoben und zurück ins Haus trugen. Wir erinnerten uns an seine Mutter beim Bügeln, an den Geruch von nasser Kleidung, die vor einem Kohlenfeuer auf einem Holzgestell zum Trocknen aufgehängt war, und daran, dass er sich gern vorstellte, der Wäscheständer sei ein Haus. Sein Vater saß im Unterhemd am Esstisch, er aß gern Schweineschmalz und Bücklinge; seine Mutter trank gelegentlich einen süßen Sherry und hatte ein Buch mit dem Titel A Thing of Beauty, das einen rot-goldenen Umschlag hatte. Stundenlang konnte sich der kleine Adam die Bilder in dem Buch anschauen, das sein Interesse für das Theater weckte. Wir erinnerten uns an die Weihnachtsspiele, die er besucht hatte (ich machte mir eine Notiz, dass ich überprüfen musste, was genau in den Jahren seiner Kindheit in Leicester gespielt wurde), und an seine Bühnenpremiere in einer Krippenspielaufführung seiner Schule.
    »War ich einer der Weisen?«
    »Das klingt ein bisschen selbstgefällig.«
    »Ein Schaf?«
    »Nicht selbstgefällig genug.«
    »Der Stern?«
    »Perfekt!«
    Als wir Mittagspause machten, waren wir beim Alter von siebzehn Jahren angekommen. Seine damalige Darbietung als Titelheld in Christopher Marlowes Doktor Faustus hatte ihn in seinem Wunsch bestätigt, Schauspieler zu werden. In der für ihn typischen Gründlichkeit hatte McAra schon die Kritik im Leicester Mercury vom Dezember 1971 ausgegraben, die hervorhob, wie Lang mit seinem Schlussmonolog, als er der ewigen Verdammnis ins Auge blickt, »das Publikum in Atem hielt«.
    Während Lang sich für ein Tennismatch mit einem seiner Leibwächter verabschiedete, ging ich ins Büro im Erdgeschoss, um einen Blick auf die Abschrift zu werfen. Eine Interviewstunde ergibt in der Regel dreißig bis fünfunddreißig Seiten, und wir hatten uns von neun bis kurz vor eins unterhalten. Amelia hatte beide Sekretärinnen auf die Arbeit angesetzt. Sie trugen Kopfhörer. Ihre Finger huschten über die Tastatur und erfüllten den Raum mit wohltuendem Geklapper. Mit einem bisschen Glück hatte allein die Arbeit dieses Morgens über hundert anderthalbzeilig

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