Ghost
Sympathie dieser strenge Parteifunktionär all diesen bourgeoisen Dilettanten entgegenbrachte, die sich in schlechten Aufführungen von Brecht und Ionesco pubertär aufplusterten. Lang selbst äußerte sich allerdings merkwürdig ausweichend über diese Zeitspanne.
»Das ist so lange her«, sagte er. »Ich kann mich kaum an irgendwas aus dieser Zeit erinnern. Ehrlich gesagt, war ich nicht besonders gut. Eigentlich ging es bei der ganzen Schauspielerei nur darum, Mädchen kennenzulernen ... Das kommt aber nicht rein!«
»Aber Sie waren sehr gut«, protestierte ich. »In London habe ich Interviews mit Leuten gelesen, die behaupteten, Sie hätten Berufsschauspieler werden können.«
»Schätze, dass ich dagegen auch gar nichts gehabt hätte«, sagte Lang. »In einer bestimmten Phase. Außer dass man als Schauspieler nichts verändern kann. Das können nur Politiker.« Er schaute wieder auf die Uhr.
»Aber angesichts der Verhältnisse, aus denen Sie stammen«, hakte ich nach, »da muss Cambridge doch eine wahnsinnig wichtige Rolle in Ihrem Leben gespielt haben.«
»Hat es auch. Ich habe die Zeit da sehr genossen. Ich habe ein paar fabelhafte Menschen kennengelernt. Aber das war nicht die reale Welt, das war eine Traumwelt.«
»Ich weiß. Aber gerade das hat mir ja gefallen.«
»Mir ja auch. Nur unter uns: Ich habe es geliebt.« Die Erinnerung ließ Langs Augen aufleuchten. »Raus auf die Bühne zu gehen und so zu tun, als wäre man jemand anders! Und dafür auch noch Beifall zu bekommen! Gibt’s was Besseres?«
»Hervorragend«, sagte ich. Der Stimmungswandel verblüffte mich. »Hört sich schon besser an. Das kommt aber rein, oder?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Warum nicht?« Lang seufzte. »Weil das die Memoiren eines Premierministers sind.« Plötzlich schlug er mit der Hand hart gegen die Seite des Sessels. »In meinem ganzen politischen Leben haben meine Gegner immer dann, wenn ihnen absolut nichts mehr eingefallen ist, womit sie mir eins überziehen konnten, gesagt, ach ja, dieser miese, beschissene Schauspieler.« Er sprang auf und marschierte hin und her. »›Ach ja, Adam Lang‹«, sagte er mit schleppender Stimme und karikierte perfekt den Tonfall eines Engländers aus der Oberschicht. »›Ist Ihnen schon aufgefallen, wie er seine Stimme verändert und genau der Gesellschaft anpasst, in der er sich gerade aufhält?‹« Dann gab er einen grobschlächtigen Schotten: »›Ja, ja, und glauben kann man dem kleinen Bastard kein einziges Wort. Der Mann ist ein Komödiant, ein Schaumschläger im Zweireiher.‹« Und dann händeringend den klugen Wichtigtuer: »›Es ist die Tragödie von Mr Lang, dass ein Schauspieler nur so gut sein kann wie die Rolle, die man ihm überlässt, und diesem Premierminister ist nun zu guter Letzt der Text ausgegangen.‹ Den Letzten erkennen Sie sicher von Ihren zweifellos umfassenden Recherchen wieder.«
Ich schüttelte den Kopf. Seine Tirade hatte mich so überrascht, dass ich kein Wort herausbrachte.
»Das ist aus dem Leitartikel der Times vom Tag, als ich meinen Rücktritt angekündigt habe. Die Überschrift lautete: ›Vorhang!‹« Behutsam ließ er sich wieder in seinem Sessel nieder und strich sich das Haar zurück. »Also, wenn Sie nichts dagegen haben, kein weiteres Wort über meine Schauspielerzeit in Cambridge. Wir lassen es genau so, wie Mike es geschrieben hat.«
Kurze Zeit sagte keiner ein Wort. Ich tat so, als ordnete ich meine Notizen. Draußen kämpfte sich ein Sicherheitsmann, den Kopf in den Wind gestemmt, auf dem Kamm einer Düne entlang. Die Schallisolierung des Hauses war so effizient, dass er mir wie ein Pantomime vorkam. Ich musste an Ruths Worte über ihren Mann denken: Im Augenblick stimmt irgendwas nicht ganz mit Adam. Ich hab ein bisschen Angst, ihn allein zu lassen. Ich begriff jetzt, was sie meinte. Ich hörte ein Klicken und beugte mich zum Rekorder vor.
»Ich muss die Disc wechseln.« Ich war dankbar für die Gelegenheit, mich kurz verdrücken zu können. »Ich bring die eben runter zu Amelia. Dauert keine Minute.«
Lang starrte wieder gedankenversunken aus dem Fenster. Er machte eine kurze, etwas geringschätzige Handbewegung, um mir zu bedeuten, dass ich ruhig gehen solle. Ich ging nach unten in den Arbeitsraum, wo die Sekretärinnen vor ihren Tastaturen saßen. Amelia stand neben einem Aktenschrank. Als ich hereinkam, drehte sie sich um. Wahrscheinlich verriet mich mein Gesichtsausdruck.
»Was ist passiert?«, fragte sie
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