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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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andere.«
    »Erzählen Sie mir von ihm.«
    »Er war Bauunternehmer. Selbstständig. Als er meine Mutter kennengelernt hat, war er schon über fünfzig. Er hatte zwei halbwüchsige Söhne von seiner ersten Frau – die hatte ihn einige Zeit vorher sitzen lassen. Mutter war Lehrerin, zwanzig Jahre jünger als er. Sehr hübsch, sehr scheu. Er hatte irgendwelche Reparaturarbeiten am Dach der Schule zu erledigen, und da sind sie sich begegnet. Und so kam dann eins zum anderen, und sie haben geheiratet. Er hat ein Haus gebaut, in das dann alle vier eingezogen sind. Und ich bin ein Jahr später dazugekommen. Was ein ziemlicher Schock für ihn war, glaube ich zumindest.«
    »Warum?«
    »Er hat wohl gedacht, das mit den Babys hätte er hinter sich.«
    »Nach allem, was man über Sie geschrieben hat, habe ich den Eindruck, dass Sie sich nicht besonders nahestanden.«
    Lang ließ sich Zeit, bis er antwortete. »Als er gestorben ist, war ich sechzehn. Er war schon im Ruhestand, weil er gesundheitliche Probleme hatte, meine Stiefbrüder waren erwachsen, verheiratet, beide aus dem Haus. Das war die einzige Zeit, an die ich mich erinnere, dass er viel zu Hause war. Ich war gerade erst dabei, ihn richtig kennenzulernen, als er den Herzanfall bekam. Irgendwie bin ich gut mit ihm klargekommen. Aber wenn Sie sagen wollen, dass ich meiner Mutter näherstand ... ja, das ist sicherlich so.«
    »Und Ihre Stiefbrüder? Wie war’s mit denen?«
    »O Gott, die!« Zum ersten Mal seit dem Lunch lachte Lang laut auf. »Wissen Sie was? Die Frage streichen wir lieber. Wir können sie doch einfach weglassen, oder?«
    »Ist Ihr Buch.«
    »Okay, dann lassen wir sie draußen. Sie sind auch ins Baugewerbe eingestiegen, beide, und keiner hat auch nur eine Gelegenheit ausgelassen, der Presse hinzureiben, dass sie mich nicht wählen. Ich hab sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Die müssen jetzt um die siebzig sein.«
    »Wie genau ist er gestorben?«
    »Was?«
    »Entschuldigung ... Ihr Vater. Ich hab mich gerade gefragt, wie er gestorben ist. Wo ist er gestorben?«
    »Ach so, im Garten. Hat versucht, eine Steinplatte zu versetzen, die aber zu schwer für ihn war. Konnte eben nicht raus aus seiner Haut ...« Er schaute auf seine Uhr.
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Ich.«
    »Könnten Sie mir erzählen, wie das war?« Es ging zäh, viel zäher als in der Morgensitzung.
    »Ich war gerade aus der Schule nach Hause gekommen. Es war ein herrlicher Frühlingstag, das weiß ich noch. Mutter war wegen einer ihrer Wohltätigkeitsgeschichten irgendwo unterwegs. Ich hab mir in der Küche was zum Trinken genommen und bin dann in den Garten, noch in meiner Schuluniform, ein bisschen mit dem Ball rumdribbeln oder so. Und da lag er dann, mitten auf dem Rasen. Hatte von dem Sturz nur eine kleine Schramme im Gesicht. Die Ärzte haben gesagt, dass er wahrscheinlich schon tot war, als er auf dem Boden aufschlug. Schätze, das sagen sie immer, um es der Familie ein bisschen leichter zu machen. Wer weiß das schon ? Das kann doch nicht so einfach sein ... sterben, oder?«
    »Wie war Ihre Mutter?«
    »Glauben nicht alle Söhne, dass ihre Mütter Heilige sind?« Er schaute mich an, als erwartete er eine Bestätigung von mir. »Meine war jedenfalls eine. Nach meiner Geburt hat sie aufgehört zu arbeiten. Sie war jemand, der für jeden da war, immer. Sie stammte aus einer strenggläubigen Quäkerfamilie. Sie war so stolz, als sie mich in Cambridge genommen haben, auch wenn das bedeutete, dass sie jetzt allein war. Sie hat nie ein Wort darüber verloren, wie krank sie war. Sie wollte mir meine Unizeit nicht verderben, besonders nicht nachdem ich angefangen hatte zu schauspielern und jede Menge zu tun hatte. Das war typisch für sie. Bis zum Ende meines zweiten Studienjahres hatte ich keine Ahnung, wie schlimm es um sie stand.«
    »Erzählen Sie mir davon.«
    »Also ...« Er räusperte sich. »Mein Gott, natürlich hab ich gewusst, dass es ihr nicht gut ging, aber ... Sie wissen ja, wie das ist. Wenn man neunzehn ist, dann nimmt man nicht allzu viel Notiz von Dingen, die nicht direkt mit einem selbst zu tun haben. Ich war bei der Footlights-Truppe, ich hatte ein paar Freundinnen, Cambridge war das Paradies für mich. Ich habe sie einmal die Woche angerufen, und sie hat sich immer gesund und munter angehört, obwohl sie allein gelebt hat. Dann bin ich nach Hause gekommen, und sie war ... Ich war geschockt ... Sie war praktisch zum Skelett abgemagert. Ich habe dann rausgefunden,

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