Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
Schlüsse ziehen.«
    »Also gut«, sagte Lang. »Wie wär’s damit?« Amelia zog die Kappe von ihrem kleinen silbernen Stift und klappte das Ringbuch auf. »›Zu Richard Rycarts Erklärung gibt Adam Lang folgende Stellungnahme ab: ‚Als in Großbritannien eine Politik der hundertprozentigen Unterstützung der USA in ihrem weltweiten Krieg gegen den Terror populär war, stimmte Mr Rycart ihr zu. Als diese Politik unpopulär wurde, lehnte er sie ab. Und als er aufgefordert wurde – aufgrund persönlicher Inkompetenz im Amt des Außenministers –, seinen Stuhl zu räumen, da entwickelte er plötzlich ein leidenschaftliches Interesse für die sogenannten Menschenrechte von Terrorismusverdächtigen. Ein dreijähriges Kind würde seine infantile Taktik durchschauen, mit der er versucht, seine früheren Kollegen in Misskredit zu bringen.̕ ‹ Punkt. Absatz.«
    Amelia hatte schon während Langs Diktat aufgehört mitzuschreiben. Sie schaute den ehemaligen Prermerminister an, und wenn ich nicht gewusst hätte, dass das unmöglich war, hätte ich geschworen, in einem Augenwinkel der Eiskönigin die Andeutung einer Träne gesehen zu haben. Er hielt ihrem Blick stand. Von der offenen Tür war ein leises Klopfen zu hören, dann betrat Alice den Raum. Sie hielt ein Blatt Papier in der Hand.
    »Entschuldigen Sie, Adam«, sagte sie. »Das kam gerade von der Nachrichtenagentur AP rein.«
    Ich hatte den Eindruck, als ob Lang zögerte, den Blickkontakt mit Amelia abzubrechen, und da wusste ich – so sicher, wie ich jemals etwas gewusst habe –, dass ihre Beziehung nicht nur eine berufliche war. Nach einer, wie mir schien, peinlich langen Pause nahm er Alice das Blatt ab und begann zu lesen. In diesem Moment betrat Ruth den Raum. Inzwischen kam ich mir vor wie ein Theaterbesucher, der seinen Platz verlassen hatte, um nach der Toilette zu suchen, versehentlich auf die Bühne geraten war und sich nun mitten in der Aufführung befand: Die Hauptdarsteller taten so, als wäre ich Luft, und mir war klar, dass ich eigentlich verschwinden sollte, aber irgendwie fiel mir keine passende Ausrede für einen Abgang ein.
    Als Lang fertig gelesen hatte, gab er Ruth das Blatt. »Aus gewissen Quellen in Den Haag, wer immer das auch sein mag«, verkündete er, »will Associated Press erfahren haben, dass die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofe morgen früh eine Erklärung abgibt.«
    »O Adam«, platzte es aus Amelia heraus. Sie schlug die Hand vor den Mund.
    »Warum sind wir nicht gewarnt worden?«, fragte Ruth scharf. »Aus Downing Street? Warum hat uns die Botschaft nicht benachrichtigt?«
    »Die Telefonleitungen sind unterbrochen«, sagte Lang. »Wahrscheinlich versuchen sie jetzt gerade durchzukommen.«
    »Ich scheiß auf jetzt gerade«, schrie Ruth. »Jetzt gerade, was nutzt uns das? Wir hätten das vor einer Woche wissen müssen.« Sie fuhr herum. »Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag?«, schnauzte sie Amelia zornig an. »Ich hab immer gedacht, Sie sind nur deshalb hier, um Kontakt zum Cabinet Office zu halten? Oder wollen Sie mir weismachen, dass die nichts davon gewusst haben?«
    »Wenn die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs ermittelt, legt sie großen Wert darauf, den Verdächtigen nicht vorab darüber zu informieren«, sagte Amelia. »Oder, wie in diesem Fall, die Regierung, der der Verdächtige angehört hat. Damit keine Beweismittel vernichtet werden.«
    Ihre Worte schienen Ruth die Sprache zu verschlagen. Sie brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu fangen. »Also das ist Adam jetzt? Ein Verdächtiger?« Sie drehte sich zu ihrem Mann um. »Du musst mit Sid Kroll reden.«
    »Wir wissen doch noch gar nicht, was der Gerichtshof sagen wird«, wandte Lang ein. »Ich glaube, ich rede erst mit London.«
    »Adam«, sagte Ruth und sprach dann sehr langsam weiter, so als hätte er bei einem Unfall eine Gehirnerschütterung erlitten. »Wenn es denen passt, dann lassen die dich einfach im Regen stehen. Du brauchst einen Anwalt. Ruf Sid an.«
    Lang zögerte, dann sagte er zu Amelia: »Holen Sie mir Sid ans Rohr.«
    »Und die Presse?«
    »Wir geben eine vorläufige Stellungnahme heraus. Ein oder zwei Sätze, mehr nicht.«
    Amelia zückte ihr Handy und scrollte durch das Adressverzeichnis. »Soll ich was aufsetzen?«
    »Warum macht er das nicht?«, fragte Ruth und zeigte dabei auf mich. »Er ist doch der Profi.«
    »Gut«, sagte Amelia, wobei sie allerdings ihre Irritation nicht ganz verbergen konnte.

Weitere Kostenlose Bücher