Ghost
ich zum Schluss noch gefragt.
»Das wird er«, sagte Maddox. »Und falls nicht, dann erinnern Sie Adam« – der Tonfall implizierte, dass wir für ihn nichts weiter als zwei verschwuchtelte Engländer waren –»an seine vertragliche Verpflichtung, uns ein Buch mit einem vollständigen und wahrheitsgetreuen Bericht über den Krieg gegen den Terror zu liefern. Ich verlasse mich auf Sie. Okay?«
In einem Solarium ohne Sonne kann man ziemlich melancholisch werden. Ich sah, dass der Gärtner an genau der gleichen Stelle arbeitete wie gestern. Steif und ungelenk in seinen dicken Wintersachen, schaufelte er wieder Laub in die Schubkarre. Kaum hatte er einen Flecken gesäubert, blies ihm der Wind schon den nächsten Schwung Blätter vor die Füße. Ich lehnte mich an die Wand, starrte hinauf zur Decke und gestattete mir einen kurzen Augenblick der Verzweiflung sowie ein paar Gedanken über die Vergänglichkeit von Sommertagen und des menschlichen Glücks ganz allgemein. Ich versuchte Rick zu erreichen, aber sein Assistent sagte mir, er sei nicht im Büro. Ich ließ ihm ausrichten, er solle mich zurückrufen. Dann machte ich mich auf die Suche nach Amelia.
Sie war weder im Büro, wo die Sekretärinnen immer noch Anrufer abfertigten, noch im Gang oder in der Küche. Ich war überrascht, als mir einer der Wachpolizisten sagte, sie sei draußen. Es war bestimmt schon nach vier, und es wurde allmählich kalt. Sie stand in der Wendebucht vor dem Haus. Wenn sie an ihrer Zigarette zog, glühte die Spitze hellrot auf und verschwand dann wieder im Halbdunkel des Januarnachmittags.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie rauchen«, sagte ich.
»Ab und zu gönne ich mir eine. Aber nur, wenn ich sehr gestresst oder sehr zufrieden bin.«
»Und weshalb jetzt?«
»Sehr lustig.«
Gegen die Kälte hatte sie ihren Blazer bis ganz oben zugeknöpft. Sie rauchte auf diese eigenartige Noli me tangere- Art bestimmter Frauen, den einen Arm locker um die Taille gelegt und den anderen – den mit der Hand, die die Zigarette hielt – schräg über der Brust. Ich roch den angenehmen Duft des brennenden Tabaks in der frischen Luft und verspürte sofort selbst den Wunsch nach einer Zigarette. Es wäre die erste nach mehr als zehn Jahren gewesen, und ich wäre sicherlich umgehend wieder bei vierzig Stück pro Tag angelangt – trotzdem, hätte sie mir in diesem Augenblick eine angeboten, ich hätte sie genommen.
Aber sie bot mir keine an.
»John Maddox hat gerade angerufen«, sagte ich. »Er will das Buch jetzt nicht mehr erst in vier, sondern schon in zwei Wochen.«
»Gott. Na dann, viel Glück.«
»Ich nehme an, die Chance, dass ich Adam heute noch mal für ein Interview begeistern kann, ist gleich null, oder?«
»Was glauben Sie?«
»Tja, könnten Sie dann Bescheid sagen, dass mich jemand ins Hotel zurückfährt? Ich arbeite da weiter.«
Sie blies den Rauch durch die Nase aus und schaute mich prüfend an. »Sie haben ja wohl nicht vor, das Manuskript mitzunehmen, oder?«
»Natürlich nicht!« Wenn ich lüge, geht meine Stimme immer um eine Oktave in die Höhe. Ich hätte nie Politiker werden können: Ich hätte mich ständig angehört wie Donald Duck. »Ich will nur das, worüber wir heute gesprochen haben, in die richtige Form bringen, das ist alles.«
»Ihnen ist hoffentlich klar, wie ernst das ist, was sich da gerade zusammenbraut.«
»Natürlich. Sie können meinen Laptop gern überprüfen.«
Sie schwieg gerade so lange, um mir ihr Misstrauen deutlich zu machen. »Okay«, sagte sie dann und zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette. »Ich vertraue Ihnen.« Sie ließ den Stummel auf den Boden fallen, trat ihn geziert mit der Schuhspitze aus, bückte sich und hob ihn auf. Ich stellte sie mir auf dem Schulhof vor, wie sie auf ähnliche Weise das Beweisstück entfernte: die Schulsprecherin, die man nie beim Rauchen erwischte. »Holen Sie Ihr Zeug. Ich sag einem der Jungs Bescheid, dass er Sie nach Edgartown fährt.«
Wir gingen zurück ins Haus und trennten uns im Flur. Sie strebte den klingelnden Telefonen zu, ich ging die Treppe zum Arbeitszimmer hinauf. Als ich mich der Tür näherte, hörte ich, dass Ruth und Adam Lang sich anschrien. Ihre Stimmen drangen nur gedämpft an mein Ohr, und das Einzige, was ich deutlich verstehen konnte, waren die Schlussworte von Ruths letzter Tirade:»... um hier für den Rest meines Lebens zu versauern?« Die Tür war nur angelehnt. Ich zögerte. Ich wollte da nicht hineinplatzen, andererseits wollte
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