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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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»Aber es muss sofort raus.«
    »Ich brauche eine Minute«, sagte ich.
    »Es soll selbstbewusst klingen«, sagte Lang zu mir. »Natürlich nicht defensiv, das wäre tödlich. Aber auch nicht großmäulig. Keine Bitterkeit. Kein Zorn. Und bloß kein Wort darüber, dass ich mich über die Gelegenheit freue, meinen Namen reinwaschen zu können oder irgendeinen Scheiß in der Art.«
    »Also«, sagte ich. »Sie sind nicht defensiv, aber auch nicht großmäulig, und Sie sind nicht sauer, aber auch nicht erfreut. Sowas?«
    »Exakt.«
    »Was genau sind Sie denn?«
    Überraschenderweise, angesichts der Umstände, fingen alle an zu lachen.
    »Hab ich dir nicht gesagt, dass er ein Witzbold ist?«, sagte Ruth.
    Amelia hob plötzlich die Hand hoch und wedelte damit herum, um uns zum Schweigen zu bringen. »Hier Büro Adam Lang, Sidney Kroll bitte«, sagte sie. »Nein, sofort.«
     
     
    *
     
    Ich ging mit Alice nach unten und stellte mich hinter sie, während sie vor dem PC Platz nahm und geduldig darauf wartete, aus meinem Mund die Worte des ehemaligen Premierministers zu vernehmen. Erst jetzt, als ich anfing, über den Inhalt von Langs Stellungnahme nachzudenken, ging mir auf, dass ich ihm gar nicht die entscheidende Frage gestellt hatte: Hatte er wirklich die Verhaftung jener vier Männer angeordnet? In diesem Augenblick war mir klar, dass er es getan hatte, natürlich, sonst hätte er es schon am Wochenende abgestritten, als der Vorwurf in die Öffentlichkeit gelangt war. Nicht zum ersten Mal hatte ich massiv das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
    »Ich bin immer ein leidenschaftlicher ... Nein, streichen Sie das wieder ... Ich bin immer ein entschiedener ... nein, engagierter Verfechter der Arbeit des Internationalen Strafgerichtshöfe gewesen.« (War er das? Ich hatte keine Ahnung. Ich nahm es an. Oder genauer: Ich nahm an, dass er immer vorgegeben hatte, es zu sein.) »Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass das Gericht diese politisch motivierte Hetze schnell durchschauen wird.« Ich machte eine Pause. Ich hatte das Gefühl, dass noch irgendetwas fehlte: etwas Allgemeingültiges, etwas Staatsmännisches. Was würde ich an seiner Stelle sagen? »Der internationale Kampf gegen den Terror«, fuhr ich in einem Anfall von Inspiration fort, »ist zu wichtig, als dass er für persönliche Rachefeldzüge missbraucht werden darf.«
    Lucy druckte es aus, und als ich mit dem Blatt Papier in der Hand wieder nach oben ging, verspürte ich einen merkwürdig schüchternen Stolz, wie ein Schuljunge, der seine Hausarbeit abgab. Ich tat so, als hätte ich Amelias ausgestreckte Hand nicht bemerkt, und überreichte das Blatt Ruth (wenigstens begriff ich allmählich die Etikette am Hofe des Exilherrschers). Sie nickte anerkennend und schob das Papier über den Schreibtisch ihrem Mann zu, der mit dem Handy am Ohr dasaß und zuhörte. Er schaute auf das Blatt, verlangte mit dem Zeigefinger nach meinem Stift und fügte ein einziges Wort ein. Dann schob er das Blatt wieder zurück und zeigte mir einen in die Höhe gereckten Daumen.
    Ins Telefon sagte er: »Sehr gut, Sid. Und was wissen wir über die drei Richter?«
    »Darf ich auch mal ein Blick drauf werfen?«, fragte Amelia, als wir zusammen die Treppe hinuntergingen.
    Als ich ihr das Blatt gab, sah ich, dass Lang das Wort »innenpolitische« in den letzten Satz eingefügt hatte: »Der internationale Kampf gegen den Terror ist zu wichtig, als dass er für innenpolitische persönliche Rachefeldzüge missbraucht werden darf.« Durch den starken Kontrast von »international« und »innenpolitisch« stand Rycart noch mickriger da.
    »Sehr gut«, sagte Amelia. »Sie könnten der neue Mike McAra werden.«
    Ich schaute sie von der Seite an. Ich glaube, sie meinte es als Kompliment. Was bei ihr allerdings immer schwer einzuschätzen war. Nicht dass es mich kümmerte. Zum ersten Mal in meinem Leben lernte ich das Adrenalin der Politik kennen. Ich begriff jetzt, warum Lang auch als Ruheständler so rastlos war. So musste Sport sein, dachte ich, wenn er am härtesten, am schnellsten betrieben wurde. Es war wie auf dem Centre Court in Wimbledon. Rycart hatte seinen Aufschlag dicht über die Netzkante gejagt, und wir mussten ihn kriegen, mussten den Schläger hinter den Ball bekommen und diesen wieder zurückschlagen, mit zusätzlichem Effet. Nacheinander wurden die Telefone alle wieder eingestöpselt, und sofort fingen sie an zu klingeln und forderten Aufmerksamkeit. Ich hörte, wie

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