Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
so grau wie der Tod. Nichts rührte sich. Die Stille war vollkommen, nicht einmal das Schreien einer Möwe störte sie. Kein Zweifel, ein Sturm war im Anzug: Sogar ich erkannte das.
    Doch dann, gerade als ich mich wieder umdrehen wollte, hörte ich ein schwaches Motorengeräusch. Ich blinzelte hinunter auf die Straße und sah, dass direkt unter meinem Fenster ein paar Autos hielten. Die Türen des ersten öffneten sich, und zwei Männer stiegen aus – junge Männer, die anscheinend gut in Form waren, sie trugen Skijacken, Jeans und Stiefel. Der Fahrer schaute zu meinem Fenster hoch, worauf ich unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Als ich einen zweiten Blick riskierte, stand der Mann am Heck des Wagens und beugte sich in den geöffneten Kofferraum. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er etwas in der Hand, das ich in meiner Paranoia einen Augenblick lang für ein Maschinengewehr hielt. Tatsächlich war es eine Fernsehkamera.
    Dann wurden meine Bewegungen schnell, zumindest so schnell, wie es mein Zustand erlaubte. Ich öffnete das Fenster und ließ eiskalte Luft ins Zimmer. Ich zog mich aus, nahm eine lauwarme Dusche und rasierte mich. Ich zog frische Sachen an und packte. Als ich unten vor der Rezeption stand, war es Viertel vor neun – die erste Fähre vom Festland hatte vor einer Stunde in Vineyard Haven angelegt –, und das Hotel glich dem Tagungsort für einen internationalen Medienkongress. Was immer man auch gegen Adam Lang einzuwenden hatte, für die Wirtschaft vor Ort wirkte er jedenfalls Wunder: Seit dem Unfall von Chappaquiddick war in Edgartown nicht mehr so viel Betrieb gewesen. Schätzungsweise dreißig Leute standen und saßen herum, tranken Kaffee, tauschten in einem halben Dutzend Sprachen Geschichten aus, hingen an ihren Handys oder überprüften ihre Ausrüstung. Ich hatte genug mit Reportern zu tun gehabt, um die verschiedenen Typen auseinanderhalten zu können. Waren die Fernsehkorrespondenten gekleidet, als gingen sie zu einer Beerdigung, so sahen die Schreiberlinge von den Nachrichtenagenturen aus, als wären sie die Totengräber.
    Ich kaufte mir eine New York Times und ging ins Restaurant, wo ich erst einmal drei Gläser Orangensaft auf ex trank, bevor ich mich der Zeitung widmete. Lang war nicht länger im Auslandsteil begraben. Er sprang mir gleich auf der Titelseite entgegen:
     
     
    BRITISCHER EXPREMIER VOR ANKLAGE WEGEN KRIEGSVERBRECHEN?
     
     
    ENTSCHEIDUNG HEUTE
     EX-AUSSENMINISTER: LANG GENEHMIGTE FOLTER DURCH CIA
     
    In dem Artikel hieß es, Lang habe eine »harsche« Stellungnahme veröffentlicht (ich verspürte prickelnden Stolz). Weiter hieß es, Lang sei »kampfbereit«, und er werde »mit jedem weiteren Schicksalsschlag fertig werden«, nachdem schon »Anfang des Jahres ein enger Mitarbeiter bei einem Unfall ertrunken war«. Die Affäre sei »höchst unangenehm« für die britische und die amerikanische Regierung. »Ein hoher Regierungsbeamter bekräftigte jedoch, dass sich das Weiße Haus loyal hinter einen Mann stelle, der sein engster Verbündeter gewesen sei. ›Er hat zu uns gestanden, und jetzt werden wir zu ihm stehen‹, sagte der Beamte, der ungenannt bleiben wollte.«
    Als ich dann den letzten Absatz las, hätte ich fast meinen Kaffee aufs Tischtuch geprustet:
     
    Die Veröffentlichung von Langs Memoiren, die für Juni geplant war, wurde auf Ende April vorgezogen. John Maddox, Vorstandsvorsitzender von Rhinehart Publishing Inc., die für das Buch zehn Millionen Dollar bezahlt haben soll, sagte, dass dem Manuskript gerade der letzte Feinschliff verpasst werde. »Das wird ein verlegerisches Ereignis von Weltrang«, erklärte Maddox gestern der New York Times in einem Telefoninterview. »Als erster Staatschef der westlichen Welt legt Adam Lang einen umfassenden Insider-Bericht über den Krieg gegen den Terror vor.«
     
    Ich stand auf und durchquerte würdevoll die Hotellobby, wobei ich vorsichtig die Kamerataschen, die 600-Millimeter-Zoom-Objektive und die Handmikros mit den wuscheligen grauen Windschutzüberzügen umkurvte. Die Stimmung unter den Mitgliedern der »Vierten Gewalt« war aufgeräumt, es herrschte fast Partyatmosphäre, vergleichbar vielleicht der unter feinen Leuten im 18. Jahrhundert, wenn sie einem vergnüglichen Tag bei einer Hinrichtung entgegensahen.
    »Neuigkeiten aus der Heimatredaktion«, rief einer laut. »Die Pressekonferenz in Den Haag findet jetzt um zehn Uhr statt. Ostküstenzeit.«
    Unbemerkt gelangte ich auf die Veranda, von wo

Weitere Kostenlose Bücher