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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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aus ich meinen Agenten anrief. Sein Assistent hob ab – Biff oder Bill oder Bull, ich weiß den Namen nicht mehr, Rick wechselte seine Mitarbeiter fast so oft wie seine Frauen.
    Ich verlangte nach Rick.
    »Er ist im Augenblick nicht da.«
    »Wo ist er?«
    »Angeln.«
    »Angeln?«
    »Er hat gesagt, er ruft ab und zu an, ob es was Neues gibt.«
    »Nett von ihm. Wo ist er?«
    »Im Bouma National Heritage Rainforest Park.«
    »Gott, wo ist das denn?«
    »Das war so eine Spontanentscheidung ...«
    »Wo?«
    Biff oder Bill oder Bull zögerte.
    »Fidschi-Inseln.«
     
     
    *
     
    Der Minivan fuhr mit mir den Hügel hinauf, vorbei an dem Buchladen, dem kleinen Kino und der Walfängerkirche. Als wir Edgartown hinter uns gelassen hatten, folgten wir nicht den Wegweisern nach rechts in Richtung Vineyard Haven, sondern nach links in Richtung West Tisbury. Das hieß zumindest, dass man mich zum Rhinehart-Anwesen brachte und nicht wegen Verstoßes gegen den Offical Secrets Act direkt zur Fähre. Auf dem Sitz neben mir lag mein Koffer. Ich saß hinter dem Fahrer, einem der jüngeren Wachpolizisten, der die Standarduniform trug, graue Reißverschlussjacke und schwarze Krawatte. Er suchte im Rückspiegel den Augenkontakt zu mir und sagte, dass das Ganze eine ziemlich üble Sache sei. Ich antwortete knapp, ja, ziemlich übel, und schaute dann demonstrativ aus dem Fenster, um nicht weiter mit ihm sprechen zu müssen.
    Wir erreichten schnell flaches Land. Parallel zur Straße verlief ein verwaister Radweg, dahinter dehnte sich düsterer Wald aus. Mein schwacher Körper mochte sich auf Martha’s Vineyard befinden, aber mein Geist befand sich auf den südpazifischen Fidschi-Inseln. Ich dachte an Rick und überlegte mir ausgeklügelte und demütigende Methoden, mit denen ich ihn nach seiner Rückkehr feuern könnte. Der rationale Teil von mir wusste, dass ich das nie tun würde – warum sollte er nicht ein bisschen zum Angeln fahren? Aber an jenem Morgen hatte der irrationale Teil das Sagen. Wahrscheinlich hatte ich Angst, und die beeinträchtigt die Urteilskraft eines Menschen mehr als Alkohol oder Erschöpfung. Ich fühlte mich hintergangen, im Stich gelassen, ungerecht behandelt.
    »Sobald ich Sie abgeliefert habe, Sir«, sagte der Beamte, den mein Schweigen nicht zu beeindrucken schien, »muss ich noch Mr Kroll vom Flugplatz abholen. Wenn die Anwälte auf der Bildfläche erscheinen, weiß man immer, dass die Sache ziemlich übel steht.« Er hörte auf zu sprechen und beugte sich zur Windschutzscheibe vor. »Scheiße, geht das wieder los.«
    Es sah aus wie ein Verkehrsunfall. Die blinkenden Blaulichter von ein paar Streifenwagen leuchteten dramatisch im düsteren Morgenlicht und illuminierten die Bäume wie ein Wetterleuchten in einer Wagner-Oper. Als wir näher kamen, konnte ich sehen, dass zu beiden Seiten der Straße etwa ein Dutzend Autos und Vans parkten. Menschen standen herum. Träge wie das Gehirn manchmal Informationen zusammenfügt, nahm ich zunächst an, dass es sich um eine Massenkarambolage handelte. Doch als unser Minivan das Tempo drosselte und den Blinker setzte, um nach links abzubiegen, liefen die Leute zum Straßenrand, hoben irgendwelche Dinge auf und kamen auf uns zugerannt. »Lang! Lang! Lang!«, brüllte eine Frau durch ein Megafon. »Lügner! Lügner! Lügner!« Bilder von Lang im Sträflingsanzug, mit blutigen Händen Gitterstäbe umklammernd, hüpften vor unserer Windschutzscheibe auf und ab. »GESUCHT! KRIEGSVERBRECHER! ADAM LANG!«
    Die Polizei von Edgartown hatte die Zufahrt zum Rhinehart-Anwesen mit Pylonen abgesperrt, die sie jetzt schnell zur Seite räumte, um uns durchzulassen. Trotzdem mussten wir kurz anhalten, was den Demonstranten ausreichte, um den Wagen einzukreisen. Ein Hagel von Faustschlägen und Fußtritten prasselte gegen die Seiten des Minivans. Ich sah ganz kurz eine Gestalt, einen Mann, der in einer Art Mönchskutte in einem grellweißen Lichtbogen stand. Er wandte sich von dem Interviewer ab und schaute zu uns her. Von irgendwoher kannte ich diesen Mann. Doch dann verschwand er hinter der Spießrutenwand aus verzerrten Gesichtern, trommelnden Fäusten und spritzender Spucke.
    »Friedensdemonstranten«, sagte mein Fahrer. »Scheiße, das sind immer die brutalsten.« Er drückte aufs Gas, die Hinterreifen drehten kurz durch, packten dann zu, und im nächsten Augenblick schossen wir in den stummen Wald.
     
     
    *
    Im Gang lief ich Amelia über den Weg. Geringschätzig, wie es nur eine Frau

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