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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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den gewaltigen Himmel. Ein kleiner leuchtend weißer Lichtpunkt wurde schnell größer, während er sich durch die graue Weite auf das Haus zubewegte. Ein Hubschrauber. Er flog in niedriger Höhe über mich hinweg, wobei die schwere Glastür zitterte, tauchte ein, zwei Minuten später eine Meile entfernt wieder auf, dicht über dem Horizont schwebend wie ein böser, unheilverkündender Komet. Das war ein Zeichen, wie ernst die Dinge standen, dachte ich, wenn ein Nachrichtenchef so unter Druck stand, dass er in der Hoffnung auf ein flüchtiges Bild vom britischen Expremier von seinem knapp bemessenen Etat einen Hubschrauber mietete. Ich sah Kate vor mir, wie sie in ihrem Londoner Büro saß, sich selbstgefällig die Live-Berichte anschaute, und mich packte das absurde Verlangen, nach draußen zu laufen und zu winken – wie Julie Andrews am Anfang von The Sound of Music: He, Liebling, ich bin’s! Ich bin hier unten mit dem Kriegsverbrecher! Ich bin ein Komplize!
    Ich blieb auf der Bettkante sitzen, bis ich das Motorengeräusch des vor dem Haus vorfahrenden Minivans hörte, gefolgt von aufgeregtem Stimmengewirr aus der Eingangshalle und dem Trampeln einer kleinen Armee, die eine Holztreppe hinaufstapfte. So hörten sie sich also in Fleisch und Blut an, die 1000 Dollar Anwaltshonorar pro Stunde. Ich gab Kroll und seinem Mandanten ein paar Minuten, damit sie sich die Hände schütteln, aufrichtig die Situation bedauern und sich gegenseitig mit den üblichen Floskeln ihre Zuversicht beteuern konnten, dann verließ ich überdrüssig mein Totenzimmer und ging nach oben.
     
     
    *
     
    Kroll war mit einem Privatjet aus Washington eingeflogen. Begleitet wurde er von zwei jungen Kanzleimitarbeitern, einer ausgesucht hübschen Mexikanerin, die er als Encarnación vorstellte, und einem Schwarzen aus New York namens Josh. Sie saßen mit aufgeklappten Laptops links und rechts von ihm auf dem Sofa, das mit dem Rücken zum Meer stand. Adam und Ruth saßen auf der Couch gegenüber, Amelia und ich jeder in einem der Armsessel. Auf einem leinwandgroßen Fernsehschirm, der neben dem Kamin an der Wand hing, waren die Luftaufnahmen des Hauses zu sehen, die von dem Hubschrauber stammten, dessen schwaches Brummen wir hören konnten. Gelegentlich schaltete der Sender in den großen Raum in Den Haag, wo die Journalisten unter Kronleuchtern auf den Beginn der Pressekonferenz warteten. Jedes Mal, wenn ich das leere Podium mit dem geschmackvollen UN-blauen Logo des Internationalen Strafgerichtshofs sah, Lorbeerzweige und Waage der Justitia, flatterten meine Nerven ein bisschen mehr. Lang schien die Ruhe selbst zu sein. Weißes Hemd mit dunkelblauer Krawatte, kein Jackett. Die Situation war wie geschaffen für seinen Stoffwechsel.
    »Also, was kommt bei der ganzen Sache raus?«, sagte Kroll, nachdem wir alle unsere Plätze eingenommen hatten. »Sie werden nicht angeklagt, Sie werden nicht verhaftet. Nichts von alldem ist auch nur einen Pfifferling wert, mein Wort drauf. Das Einzige, was die Anklägerin in diesem Moment beantragen wird, ist die Erlaubnis zur Einleitung einer formalen Untersuchung. Okay? Wenn wir also hier rausmarschieren, Adam, dann gehen Sie aufrecht, dann schauen Sie cool, dann tragen Sie nur Friede im Herzen, weil nämlich alles bestens ausgehen wird.«
    »Der Präsident hat mir gesagt, er glaubt, dass sie die Anklägerin vielleicht gar nicht ermitteln lassen«, sagte Lang.
    »Ich habe immer große Bedenken, dem Führer der freien Welt zu widersprechen«, sagte Kroll. »Aber heute Morgen herrscht in Washington allgemein die Meinung vor, dass sie wohl müssen. Unsere hochverehrte Frau Anklägerin ist, so scheint es, eine ziemlich raffinierte Dame. Die britische Regierung hat sich bisher konsequent geweigert, selbst eine Untersuchung über die ›Operation Tempest‹ einzuleiten – das verschafft der Anklägerin jetzt den juristischen Vorwand, es ihrerseits zu tun. Und indem sie den Fall, kurz bevor er in der Vorverfahrenskammer behandelt werden konnte, an die Öffentlichkeit lanciert hat, hat sie die drei Richter mächtig unter Druck gesetzt, ihr wenigstens das Okay zu geben, in die Ermittlungsphase einzutreten. Ordnen sie an, die Sache fallen zu lassen, dann wissen sie verdammt gut, dass alle behaupten werden, sie hätten vor einer Großmacht den Schwanz eingekniffen.«
    »Miese Hinterhoftaktik«, sagte Ruth. Sie trug schwarze Leggings und einen ihrer unförmigen Pullover und saß mit untergeschlagenen nackten Füßen auf

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