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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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normalerweise klinisch saubere Raum sah aus, als hätte man ihn in Panik verlassen, wie eine ausländische Botschaft in einer kapitulierenden Stadt. Ein Wust aus Papieren, CD-ROM und alten Ausgaben des Hansard und Congressional Record bedeckte den Schreibtisch. Bei dem Anblick fiel mir ein, dass ich gar keine Kopie von Langs Manuskript hatte, mit der ich arbeiten konnte. Ich versuchte den Aktenschrank zu öffnen, aber der war verschlossen. Daneben stand ein Papierkorb, der vom Abfall aus dem Schredder überquoll.
    Ich warf einen Blick in die Küche. Auf einem Hackblock lagen gleich mehrere Fleischermesser. An manchen Klingen klebte frisches Blut. Ich rief zögernd: »Hallo?«, und steckte den Kopf in die Vorratskammer, aber von der Haushälterin keine Spur.
    Ich hatte keine Ahnung, welches mein Zimmer war, also blieb mir nichts anderes übrig, als mich Tür für Tür durch den Gang vorzuarbeiten. Die erste war abgeschlossen, die zweite war offen. Süßer, schwerer Rasierwasserduft hing in der Luft, auf dem Bett lag ein Trainingsanzug: offensichtlich das Zimmer, das die Special Branch während der Nachtschicht benutzte. Die dritte Tür war abgeschlossen, und ich wollte mich schon der nächsten zuwenden, als ich innen eine Frau weinen hörte. Ich wusste sofort, dass es sich um Ruth handelte: Sogar ihr Schluchzen hatte eine aggressive Note. Im Haupthaus gibt es nur sechs Schlafzimmer, hatte Amelia gesagt. Jeweils eins für Adam und Ruth. Was für eine Konstellation, dachte ich, während ich mich leise davonmachte: der Expremier und seine Frau in getrennten Schlafzimmern und seine Geliebte mit einem Zimmer auf demselben Flur. Fast französisch.
    Vorsichtig probierte ich den Griff der nächsten Tür. Das Zimmer war nicht abgeschlossen. Durch den Geruch nach abgetragenen Klamotten und Lavendelseife, mehr noch als durch den Anblick meines altes Koffers, wies es sich sofort als McAras frühere Koje aus. Ich ging hinein und schloss leise die Tür. Der große Spiegelschiebeschrank nahm die gesamte Wand ein, die mein und Ruths Zimmer trennte. Als ich die Tür einen Spalt weit zur Seite schob, konnte ich ihr gedämpftes Schluchzen hören. Die Schranktür verursachte auf der Laufschiene ein kratzendes Geräusch, und das muss Ruth wohl gehört haben, denn plötzlich hörte das Weinen auf, und ich stellte mir vor, wie sie erschrocken den Kopf von ihrem feuchten Kissen hob und zur Wand schaute. Ich zog mich zurück. Wie mir erst jetzt auffiel, hatte jemand einen Karton auf das Bett gestellt, der so mit A4-Papier vollgestopft war, dass der Deckel etwas abstand. Auf einem gelben Post-it-Zettel standen die Worte: »Viel Glück! Amelia.« Ich setzte mich auf die Tagesdecke und klappte den Deckel auf. Auf der ersten Seite stand: »MEMOIREN von Adam Lang.« Trotz der äußerst peinlichen Umstände ihres Abgangs hatte sie mich also doch nicht vergessen. Man konnte über Mrs Bly sagen, was man wollte, aber die Frau war ein Profi.
    Mir wurde klar, dass ich an einem entscheidenden Punkt angelangt war. Entweder konnte ich mich weiter in den Randzonen dieses sich dahinquälenden Projekts herumdrücken und mitleidheischend darauf hoffen, dass mir jemand zu Hilfe eilte. Oder – und ich spürte, wie ich unwillkürlich das Kreuz durchdrückte, während ich die Alternative bedachte –, oder ich konnte die Sache selbst in die Hand nehmen und versuchen, die sechshunderteinundzwanzig unsäglichen Seiten in eine irgendwie publizierbare Form zu bringen, meine zweihundertfünfzigtausend Scheine einsacken und mich dann einen Monat lang an irgendeinen Strand legen, bis ich die Langs komplett aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte.
    Derart in Worte gefasst, war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Ich beschloss, sowohl McAras im Raum hängende Duftspuren als auch Ruths materiellere Präsenz nebenan eisern zu ignorieren. Ich hob das Manuskript aus dem Karton und legte es auf den Schreibtisch, der vor dem Fenster stand. Dann nahm ich den Laptop und die Interviewprotokolle von gestern aus meiner Schultertasche. Es war eng, aber das störte mich nicht. Es gibt keine menschliche Aktivität, für die sich so leicht Ausreden finden lassen, um sich vor dem Anfangen zu drücken, wie das Schreiben – der Schreibtisch ist zu groß, der Schreibtisch ist zu klein, es ist zu laut, es ist zu ruhig, es ist zu heiß oder zu kalt, zu früh oder zu spät. Im Lauf der Jahre hatte ich gelernt, sie alle zu ignorieren und einfach anzufangen. Ich stöpselte den Laptop

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