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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ging ohne ein Wort. Dreißig Sekunden später hörte man, wie unten eine Tür zuknallte.
    Lang zuckte zusammen und seufzte. Er stand auf, nahm sein Jackett, das über der Rückenlehne eines der Stühle hing, und warf es über. Das war das Zeichen zum Aufbruch. Krolls Assistenten klappten ihre Laptops zu. Kroll stand auf, streckte sich und dehnte die Finger: Er erinnerte mich an eine Katze, die den Rücken krümmte und kurz die Klauen ausfuhr. Ich steckte mein Notizbuch ein.
    »Bis morgen dann«, sagte Lang und streckte mir die Hand entgegen. »Fühlen Sie sich wie zu Hause. Tut mir leid, dass ich Sie allein lassen muss. Wenigstens dürfte uns der Medienhype ein paar Bücher mehr verkaufen.«
    »Bestimmt«, sagte ich. Ich suchte nach ein paar Worten, um die Stimmung aufzulockern. »Vielleicht haben ja die Jungs von Rhineharts Marketingabteilung diese ganze Sache angeleiert.«
    »Dann sagen Sie denen Bescheid, dass es jetzt reicht, okay?« Er lächelte, aber seine Augen sahen verschwollen aus.
    »Was werden Sie den Medienleuten sagen?«, fragte Kroll und legte Lang seinen Arm um die Schultern.
    »Weiß ich noch nicht. Das besprechen wir im Wagen.«
    Als Lang sich zur Tür umdrehte, zwinkerte Kroll mir zu. »Happy Ghosting«, sagte er.

NEUN
    »Und wenn der Auftraggeber Sie anlügt? ›Lüge‹ ist vielleicht ein zu starkes Wort. Die meisten von uns neigen dazu, ihre Erinnerungen auszuschmücken, damit sie zu dem Bild passen, das wir der Welt gern von uns präsentieren.«
    »GHOSTWRITER«
     
     
    Ich hätte nach unten gehen können, um mich von ihnen zu verabschieden. Stattdessen schaute ich mir ihre Abfahrt im Fernsehen an. Ich habe schon immer gesagt, dass der Platz vor dem Fernseher unschlagbar ist, wenn es darum geht, ein authentisches Bild aus erster Hand zu erhalten. Merkwürdig ist zum Beispiel, wie aus einem Hubschrauber aufgenommene Bilder noch der unschuldigsten Aktivität einen gefährlichen, kriminellen Touch verleihen können. Als Jeff mit der gepanzerten Limousine vor der Haustür vorfuhr und mit laufendem Motor wartete, sah es für alle Welt so aus, als würde er ein paar Mafiosi kurz vor dem Eintreffen der Polizei zur Flucht verhelfen. Der große Wagen schien in der kalten Luft Neuenglands auf einem Meer aus Auspuffgasen zu schweben.
    Ich hatte jetzt das gleiche Gefühl der Desorientierung wie am Tag zuvor, als mir die von mir formulierte Erklärung Langs aus dem Äther entgegenschlug. Im Fernsehen konnte ich verfolgen, wie einer der Männer der Special Branch eine Hintertür des Wagens öffnete und daneben stehen blieb, während ich gleichzeitig unten im Gang hörte, wie Lang und die anderen sich darauf vorbereiteten, das Haus zu verlassen. »Alles klar, Leute?« Krolls Stimme schwebte die Treppe herauf. »Ist jeder so weit? Okay. Und nicht vergessen: lächeln, glückliche Gesichter. Also, raus jetzt.« Die Haustür ging auf, und Sekunden später erhaschte ich auf dem Bildschirm einen flüchtigen Blick auf das Haupthaar des Expremierministers, der hastig die wenigen Schritte bis zum Auto zurücklegte. Er duckte sich aus dem Bild, während sein Anwalt eilig um den Wagen herum zur anderen Seite ging. Unten im Bild war zu lesen: »ADAM LANG VERLÄSST DAS HAUS AUF MARTHAS VINEYARD.« Die wissen alles, dachte ich, diese Jungs von den Nachrichtensendern, aber was eine Tautologie ist, davon haben sie keinen Schimmer.
    Dann tauchten nacheinander die Mitglieder von Langs Entourage aus dem Haus auf und liefen zum Minivan. Vorneweg Amelia, die Hand zum Schutz gegen den Abwind der Rotorblätter fest auf dem makellosen blonden Haar. Dann kamen die Sekretärinnen, gefolgt von Krolls Assistenten, und am Schluss ein paar Leibwächter.
    Die langen dunklen Umrisse der Wagen verließen mit gleißenden Scheinwerfern das Grundstück und glitten durch die aschgraue Weite der Straucheichen in Richtung Landstraße, die nach West Tisbury führte. Die Hubschrauber folgten ihnen, wobei sie das wenige Winterlaub aufwirbelten und das spärliche Gras flach auf den Boden pressten. Während das Geräusch der Rotoren immer leiser wurde, kehrte allmählich, zum ersten Mal an diesem Morgen, so etwas wie Frieden im Haus ein. Es war, als wäre das Auge eines großen Wirbelsturms schließlich weitergezogen. Ich fragte mich, wo Ruth war und ob auch sie die Berichterstattung im Fernsehen verfolgte. Ich stand auf, ging zur Treppe und lauschte eine Zeit lang. Unten war alles ruhig. Als ich mich wieder vor den Fernseher setzte, kamen die Bilder

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