Ghostman: Thriller (German Edition)
vorn, zog den Zündschlüssel ab und öffnete die Tür. Gleichzeitig schob ich meinen Revolver unter dem Schenkel herauf und in die Tasche. Geschickt, dachte ich. Der Blonde sagte jedenfalls nichts, und er filzte mich auch nicht. Er hielt ungefähr einen Meter Abstand und richtete seine Pistole auf mich. Als ich ausgestiegen war, stieß er die Tür zu und wedelte mit dem Lauf nach hinten zu seinem Suburban. Ich konnte seinen Atem riechen. Knoblauch und Mentholzigaretten. Er eskortierte mich zum Wagen, öffnete die Hintertür auf der Beifahrerseite und deutete mit dem Kopf hinein.
Kaum war ich eingestiegen, drehte der Mann auf dem Beifahrersitz sich um und hielt mir eine abgesägte Schrotflinte ins Gesicht. Der Typ war zweimal so groß wie der Blonde und hatte das gleiche Tattoo am Hals. Eine Ladung Rehposten aus einer Neun-Millimeter-Patrone würde mir aus dieser Distanz glatt den Kopf abreißen.
» Ihr habt den falschen Mann«, sagte ich.
Der Blonde schloss meine Tür und stieg vorn wieder ein. » Nein«, sagte er, » haben wir nicht.«
» Ich mache Urlaub hier«, sagte ich. » Ich bin Versicherungsdetektiv.«
» Wir wissen, wer Sie sind.«
» Da habe ich ernsthafte Zweifel«, sagte ich.
» Sie haben sich gestern Nachmittag Ribbons’ Lagercontainer angesehen. Sie sind kein Versicherungsdetektiv. Sie sind nicht mal ein Cop.«
Ich schwieg.
» Sie gehören zu Marcus«, sagte der Blonde.
» Ich gehöre zu niemandem.«
Der Blonde schwieg. Ich sah zu, wie er den Schalthebel zurücklegte und den Suburban vom Randstreifen rollen ließ. Er fuhr vorsichtig und sehr präzise, damit ich gar nicht erst in Versuchung käme, mich mit ihnen anzulegen. Der Revolver war schwer in meiner Tasche.
» Wo bringt ihr mich hin?«, fragte ich.
Der Blonde grinste mich an, als wäre ich dämlich.
» Sie haben eine Verabredung«, sagte er.
DREIUNDZWANZIG
Die Fahrt auf dem Rücksitz des SUV war barmherzig kurz. Sie fuhren auf dem Highway hinaus in die Salzmarsch. Unterwegs beobachtete ich die beiden. Das Scheinwerferlicht wurde in den Fahrgastraum zurückgeworfen und mischte sich mit dem matten Schimmer des Computerdisplays in der Mittelkonsole, sodass alles von einem seltsamen weißen Glanz überzogen war. Die Augen des Blonden hatten die Farbe von alten Rostflecken, und seine Arme sahen aus, als wären sie aus Holz geschnitzt. Der andere hatte hellblaue Augen und rotes Haar, und er war vielleicht zehn Jahre jünger als der Blonde. Während der Fahrt starrte er mich die ganze Zeit an, ohne mit der Wimper zu zuckten. Quer über den Handrücken stand Vierzehn Wörter eintätowiert. Jemand hatte mir einmal erzählt, was das bedeutete. Es ging um Weiße und ihre Kinder, und die vierzehn Wörter lauteten: Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern. Die genaue Formulierung hing davon ab, in welchem Knast jemand aufgewachsen war.
Der Kerl mit der Flinte zog ein altes Prepaid-Handy hervor. Ich sah, wie er auf die Tasten drückte, konnte aber die Nummer nicht erkennen, die er da wählte. Er hielt das Telefon sehr dicht ans Gesicht, ohne mich aus den Augen zu lassen. Er sagte nicht viel, und wenn er es tat, sprach er so leise, dass ich nichts verstand. Trotzdem wusste ich, worum es ging. Er informierte seinen Auftraggeber, dass sie mich gefunden hatten, und wollte weitere Anweisungen.
» Was habt ihr mit mir vor?«, fragte ich.
» Klappe«, sagte der Blonde.
Er verließ den Highway und bog in einen alten Feldweg ein, der in das weite leere Marschland hinausführte. Nach ungefähr zehn Minuten waren wir in der Wildnis. Die Reifen sanken in dem lockeren Sandboden ein, und der SUV holperte auf und ab. Es ging quälend langsam voran. Wir waren mitten im Nirgendwo in der Nähe der Mündung der Absecon Bay. In der Ferne leuchtete noch der Wolkenkratzer des Regency, aber die Geräusche des Highways und der Grundton der Zivilisation waren verklungen. Ich hörte nur das Seufzen des Windes über der Marsch.
Wir kamen langsam zum Stehen.
Ein paar Minuten lang standen wir mit laufendem Motor da. Es war beunruhigend dunkel um uns herum. Ich hörte die Männer vor mir atmen, schloss die Augen und fragte mich, was als Nächstes passieren würde.
Warteten sie auf den Befehl, mich umzubringen?
Sofort verbannte ich diesen Gedanken aus meinem Kopf. Wenn sie das vorgehabt hätten, säße ich jetzt nicht auf dem Rücksitz. Dort würden sie viel zu viel sauber machen müssen. Nein, dann hätten sie mich
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