Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
weichen Boden, doch Angus ließ sich dadurch nicht beirren. Ihr fehlte eindeutig ein Anker, den sie auswerfen konnte, um seine fünfzig Kilogramm Kampfgewicht aufzuhalten. Dornenranken schlugen gegen ihre nackten Arme und ließen sie fluchen. Angus hielt genau auf den Wald zu und würde sie dort hineinschleppen, wenn sie ihn nicht bald zum Stehen brachte. Der Gedanke, im Dunkeln im Wald herumzuirren, den sie schon tagsüber ungern betrat, gab ihr neue Kraft. Mit allem, was sie hatte, lehnte sie sich zurück und zog an der Leine. Und tatsächlich: Der Hund blieb stehen! Starr wie eine Statue stand er da, jeder Muskel in seinem Körper angespannt, die Nase witternd erhoben.
Der Angriff kam von einer ganz anderen Seite. Ein lautes Fauchen erklang dicht neben ihr, so unerwartet, dass sie vor Schreck zurücksprang. Angus reagierte sofort. Sein wütendes Bellen zerriss die Stille der Nacht, und er warf sich in Richtung des Angreifers. Schmerz zuckte durch Marisas Rücken, als die Leine sich spannte. Ihr Schultergelenk fühlte sich an, als würde es jeden Moment herausspringen. Durch Angus’ Bewegung verlor sie das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Jede Zelle ihres Gehirns schrie, sie solle sofort aufspringen und so schnell wie möglich verschwinden, doch ihr Körper schien nicht darauf reagieren zu wollen. Benommen setzte sie sich auf und sah direkt in Raubtieraugen.
Ein Ruck lief durch ihren Körper, und das Adrenalin, das ihr ins Blut schoss, ließ sie diesmal so hastig aufstehen, dass sie sich in Angus’ Leine verhedderte und gleich wieder auf dem Boden landete. Über dem lauten Hämmern ihres Herzens hörte sie sein tiefes Knurren. Die Leine war zum Äußersten gespannt, während der Bloodhound zwischen Marisa und dem Raubtier stand. Froh über seinen Schutz überlegte sie, wie sie am besten reagieren sollte. Geordneter Rückzug war immer eine gute Idee, vor allem, wenn man nicht genau wusste, womit man es zu tun hatte.
Marisa kniff ihre Augen zusammen, um besser sehen zu können. Raubkatzen kannte sie bisher nur aus dem Zoo oder aus Tierdokumentationen im Fernsehen, und es war zu dunkel, um viel mehr auszumachen als weißes Fell um Maul und Nase, hochgezogene Lefzen und nach hinten gelegte Ohren. Was immer es war, es schien aufgebracht zu sein, auch wenn es sich immer noch nicht bewegt hatte. Die beim Nationalpark angestellten Ranger hatten vor einigen Tagen erzählt, dass hin und wieder ein Puma in die Nähe der Stadt kam, also konnte es sich durchaus um einen handeln. Wenn sie sich richtig erinnerte, sollten Pumas allerdings eher scheu sein und besonders in Gegenwart von Hunden immer den Rückzug antreten.
Warum also saß dieser Puma noch hier und starrte sie an, als überlege er, ob sie ihm schmecken würde? Eindeutig Zeit, so schnell wie möglich zu verschwinden. Langsam kniete Marisa sich hin und griff nach Angus’ Halsband. Der Puma verfolgte ihre Bewegung mit den Augen und richtete sich auf. Marisas schweißnasse Finger krallten sich um das Halsband und zogen daran. Angus wandte sich zu ihr um und sah sie irritiert an. Zumindest kam es ihr so vor.
„Komm, Angus, wir gehen.“ Ihre Stimme war nur ein Hauch, trotzdem schien er sie zu hören. Ein weiterer Blick zu dem Raubtier zeigte ihr, dass es sie ebenfalls gehört hatte, denn die Ohren waren jetzt in ihre Richtung gedreht. Seine Lefzen senkten sich, und er wirkte mit einem Mal nicht mehr ganz so angriffslustig.
Langsam richtete Marisa sich auf, Leine und Halsband weiterhin fest im Griff. „Angus, bei Fuß.“ Gut, diesmal klang sie energischer, so als wüsste sie, was sie tat. Kam es ihr nur so vor oder lachte der Puma über sie? Sein Mund stand offen, die großen spitzen Reißzähne ragten heraus. Vielleicht spürte er auch schon, wie sich seine Zähne in ihr Fleisch bohrten und … Stopp! Die Realität war schon schlimm genug, es war nicht sinnvoll, jetzt auch noch irgendwelche grausamen Fantasien heraufzubeschwören. Marisa trat vorsichtig einen Schritt zurück und zog Angus mit sich. Überraschenderweise schien der Hund sich nicht wirklich gegen ihren Wunsch zu wehren. Sie legte ihre Hand auf seinen Kopf und führte ihn einige Schritte zurück in Richtung ihres Hauses. Als er endlich ohne jeden Widerstand vor ihr hertrottete, atmete sie erleichtert auf. Gerade noch einmal entkommen. Zumindest wusste sie nun, dass sie im Dunkeln nie wieder weiter als bis zu ihrem Auto gehen würde.
Als Marisa noch einmal zurückblickte, konnte sie den Puma
Weitere Kostenlose Bücher