Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
hatte. Für Dakarai hatte sie einen ganzen Zoo wilder Tiere geschnitzt, den er über alles geliebt hatte. Der Gedanke löste einen so scharfen Schmerz in ihr aus, dass sie keine Luft mehr bekam. Ihre Beine knickten unter ihr ein, und sie stürzte hart zu Boden. Tränen schossen ihr in die Augen. Warum hatte sie immer noch nicht gelernt, nicht an das zu denken, was sie verloren hatte? Es half ihr nicht weiter, außer dass es ihren Willen verstärkte, nach Hause zurückzukommen. Und wenn auch nur, um sich neben ihre Familie zu legen und selber zu sterben.
Sie war so mit sich selbst beschäftigt, dass sie Ryan erst bemerkte, als er sie ansprach. „Ich bringe dich jetzt von hier weg, was sagst du dazu?“ Seine Stimme klang so fröhlich, dass ihr das Herz noch schwerer wurde.
Mit letzter Kraft drehte sie ihren Kopf zur Wand, damit er ihre Tränen nicht sah. Unauffällig wischte sie mit ihrem Vorderlauf über ihre Augen. Ihr ganzer Körper spannte sich an, als sie hörte, wie er den Riegel zurückschob und die Käfigtür öffnete. Sie zuckte zusammen, als seine Hand über ihren Rücken strich, reagierte aber sonst nicht auf seine Berührung.
„Etana? Was ist mit dir los? Tut dir etwas weh?“ Seine sanfte Stimme war so nah, so mitfühlend, dass sie sich ihm am liebsten in die Arme geworfen und ihm erzählt hätte, was sie so sehr schmerzte.
Da das nicht ging, beschränkte sie sich darauf zu versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, was mit nur drei funktionierenden Gliedmaßen nicht leicht war. Es schien, als hätte der Gefühlsausbruch sie viel Kraft gekostet, deren Verlust sie sich eigentlich nicht leisten konnte, wenn sie bald weiterziehen musste. Ihr Kopf ruckte herum, als ihr klar wurde, was er gesagt hatte: Er würde sie von hier wegbringen. Wohin? Hatte sich jemand als ihr ‚Besitzer‘ gemeldet, und Ryan war darauf hereingefallen? Oder schob er sie in einen anderen Park ab, weil ihretwegen in der Klinik eingebrochen und er verletzt worden war?
Seine Hände glitten um ihr Gesicht, und er sah tief in ihre Augen. „Keine Angst, ich werde mich gut um dich kümmern. Zuerst werde ich sicherstellen, dass du keinen Rückfall hattest, und dann nehme ich dich mit. Es wird dir gefallen, ich verspreche es.“
Einen langen Moment versank sie in seinen tiefblauen Augen und nahm die Mischung aus Mitgefühl, Geduld und Kraft in sich auf, die sie ausstrahlten. Eine Sache war ihr jetzt völlig klar: Sie vertraute diesem Mann, auch wenn sie nicht genau wusste, warum. Wenn er ihr also versprach, dass es ihr gefallen würde, glaubte sie ihm. Und zur Not könnte sie immer noch in der Nacht verschwinden. Ryan schien auf eine Reaktion von ihr zu warten, also neigte sie langsam den Kopf und wurde mit einem warmen Lächeln belohnt. Ob er wusste, wie gefährlich er für Frauen war? Man versuchte automatisch, ihm alles recht zu machen, damit man noch einmal in den Genuss dieser ehrlichen Freude und Zuneigung kam.
Geduldig und systematisch untersuchte er ihre Verletzungen und setzte sich schließlich auf die Hacken zurück. „Scheint alles sehr gut zu verheilen. Ich habe trotzdem die Salbe und einige Verbände eingepackt, damit ich dich in ein paar Tagen noch mal neu verbinden kann, wenn es nötig sein sollte.“
In ein paar Tagen? Dann plante er also doch nicht, sie abzuschieben, sondern würde in ihrer Nähe bleiben. Mit einem Schlag kehrte ihre Energie zurück, und sie sprang beinahe auf ihre Füße und drängte sich an ihm vorbei aus dem Käfig.
Ryan stieß ein überraschtes Lachen aus. „Na, da hat es aber jemand eilig.“ Er stand auf und folgte ihr. „Aber ich kann dich nicht einfach so durch die Klinik laufen lassen, wenn die anderen hier sind. Warte einen Moment, ich hole den Transportwagen.“
Die Frage, wie der offene Wagen sie davon abhalten sollte, jemanden anzugreifen oder zu fliehen, wurde beantwortet, als Ryan damit zurückkam und sie den Käfigaufsatz sah, den er bei ihrem nächtlichen Ausflug weggelassen hatte. Das Vertrauen, das er ihr entgegengebracht hatte, wärmte sie, auch wenn es sie nervte, sich nun in einem Käfig herumfahren lassen zu müssen.
Ryan hob sie hinein und schloss die vergitterte Tür hinter ihr. „Entschuldige, es geht nicht anders.“
Wenn er mit allen Tieren so umging, musste er der beliebteste Tierarzt weit und breit sein. Er schien seine Patienten wirklich ernst zu nehmen und mit ihnen mitzufühlen, anstatt einfach selbstherrlich über sie zu bestimmen und alles nur als seinen
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