Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
Entsetzt betrachtete sie seinen zerschundenen Körper, die Prellungen und das viele Blut. Nein, er durfte nicht tot sein. Vorsichtig stupste sie Ryan mit der Schnauze an. Er rührte sich nicht, doch sie konnte einen schwachen Atemzug spüren. Gott sei Dank, er lebte. Allerdings schien er schwer verletzt zu sein, sonst wäre er aufgewacht. Kainda verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als sie die dick geschwollene Prellung an seiner Schläfe sah.
Vermutlich war das der Grund für seine Bewusstlosigkeit. Was sollte sie tun? Sie verstand von Medizin so gut wie nichts, und wenn er innere Blutungen hatte, konnte er sterben. Das durfte sie nicht zulassen. Mit Mühe verwandelte sich Kainda in einen Menschen zurück, die Leopardin in ihr blieb aber dicht unter der Oberfläche. Sie musste einen Krankenwagen rufen, damit Ryan schnellstmöglich geholfen wurde. Schwankend stand sie auf und wollte nach dem Telefonhörer greifen, der auf dem Küchentisch lag, als sie merkte, dass ihre Hände und Arme blutbedeckt waren. Unruhig sah sie an sich hinunter und erkannte, dass ihr ganzer Körper voller Blut war. Rasch nahm sie sich ein Geschirrhandtuch und wischte ihre Hände und nach kurzem Zögern auch ihr Gesicht daran ab. Es durfte kein Blut an das Telefon kommen, wenn sie vermeiden wollte, dass jemand merkte, wer sie war.
Glücklicherweise hatte Ryan eine Kurzwahltaste für den Notruf programmiert, sie hätte die Nummer nicht gewusst. Verdammt, sie kannte nicht einmal die Adresse des Hauses! Wieder hatte sie Glück, es lag ein ungeöffneter Brief auf der Arbeitsplatte, von dem sie die Anschrift ablesen konnte, als sich jemand meldete. Sie wich allen Fragen aus und drängte nur darauf, dass jemand herkommen sollte, weil ein Mann schwer verletzt war, dann beendete sie das Gespräch. Sie musste sich um Ryan kümmern. Unsicher kniete sie sich neben ihn und fuhr sanft mit den Händen über seinen Körper. Übelkeit stieg in ihr auf, als sie sah, wie schlimm er zugerichtet war. Sie brauchte irgendetwas, mit dem sie ihn verbinden konnte, sonst würde er noch mehr Blut verlieren. Kurz entschlossen verwandelte sie sich zurück, um keine menschlichen Fußabdrücke im Haus zu hinterlassen, und lief ins Badezimmer, wo sie die Handtücher von den Haken riss und in die Küche trug. Sie konnte keine Verbände anlegen, wenn sie weiterhin als Leopardin durchgehen wollte.
Natürlich würde es auch merkwürdig wirken, wenn sie Ryan in Handtücher wickelte, doch sie konnte ihn nicht einfach so liegen lassen. Aber sie konnte die Heilung ein wenig beschleunigen. Vorsichtig leckte sie über die schlimmsten Wunden und hoffte, dass es bei ihm genauso wirken würde wie bei Wandlern. Gegen mögliche innere Verletzungen konnte sie leider nichts tun. Wieder als Mensch tupfte sie vorsichtig das Blut von seinem Gesicht und lauschte besorgt seinem schweren Atem. Wenn er doch nur aufwachen und sie ansehen würde, damit sie wusste, dass er es überstehen würde! „Ryan, hörst du mich?“ Sanft fuhr sie mit den Fingerspitzen über seine Stirn. „Du musst durchhalten.“
Doch so sehr sie es sich auch wünschte, er reagierte weder auf ihre Berührung noch auf ihre Worte. Sie presste die Handtücher gegen die Wunden und hoffte, dass bald ein Arzt kam und ihn richtig behandelte. Schließlich hob sie seinen Kopf vorsichtig an und bettete ihn auf ihren Schoß. Automatisch begann sie eine Melodie zu summen, um ihn und vor allem sich selbst zu beruhigen, so wie sie es früher bei ihrem Sohn getan hatte. Sie stockte, als sie merkte, was sie da tat, doch dann ließ sie den Schmerz heraus, der sich seit den Geschehnissen in Afrika in ihr aufgestaut hatte. Die Augen geschlossen wiegte sie sich langsam vor und zurück.
„Kainda?“ Die Stimme war nur ein Hauch.
Erschrocken riss sie die Augen auf. Als sie bemerkte, dass Ryan zu ihr aufsah, versuchte sie ein Lächeln. „Ja, ich bin hier. Es wird alles gut, der Krankenwagen kommt gleich.“
„Hattest …“ Ein Hustenanfall schüttelte ihn. „… du nicht gesagt, es wäre ein Traum? Du bist noch hier.“
„Ich bin nur ein Traum. Konzentrier dich darauf, gesund zu werden.“
Etwas wie Enttäuschung breitete sich in seinem Gesicht aus. „Der … erste … Traum gefiel mir deutlich besser.“
Tränen verschleierten ihren Blick. „Mir auch. Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass dir etwas geschieht.“
Für eine Weile sah er sie nur an, und sie hatte keine Ahnung, was er gerade dachte. „Geht es Etana gut?“
„Ja,
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