Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
Flechten für die Salbe zu suchen, und Conner war in einen unruhigen Schlaf gesunken. Rasch stand Jamila auf und legte das Buch zur Seite, doch noch bevor sie die Tür erreichte, wurde sie aufgestoßen, und Keira trat in die Hütte. Sie warf Jamila einen abschätzigen Blick zu und wandte sich dann um.
„Nun komm schon, es wird dir nicht gleich die Decke auf den Kopf fallen.“ Keiras schneidender Ton schien zu wirken, denn im nächsten Moment erschien ein nackter Mann hinter ihr, dessen Körper ausgemergelt wirkte. Seine dunkelblonden Haare fielen ihm in einer unordentlichen Masse bis über die Schultern. Sein Geruch sagte Jamila, dass er ein Berglöwenwandler war, aber da sie nicht wusste, welche Absichten er hegte, schob sie sich unauffällig vor Lana, um sie im Notfall schützen zu können.
„Fay ist im Moment nicht hier.“
Keira blickte sie von oben herab an, keine Kunst, schließlich war sie bestimmt zwanzig Zentimeter größer als Jamila. „Das sehe ich.“
Conner richtete sich mühsam auf einen Ellbogen auf. „Was ist los?“
Der fremde Wandler trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ich will nach meiner Tochter sehen. Amber sagte, sie wäre vielleicht für einige Tage weg und …“
Die Anspannung wich aus Jamila, und sie trat zur Seite. „Du musst Nolen sein.“ Ein knappes Nicken war seine einzige Antwort. „Lanas Fieber ist etwas gesunken, und sie scheint auch leichter zu atmen.“
Nolens Blick glitt zu seiner Tochter, und seine harten Gesichtszüge wurden etwas weicher. Zögernd ging er zu ihr und beugte sich über sie. Mit den Fingern strich er sanft über das zerzauste Fell. Tränen bildeten sich in seinen Augen.
Jamila hätte ihn gerne getröstet, erkannte aber, dass jede Berührung den Einzelgänger verscheuchen würde. Stattdessen zog sie sich so leise wie möglich zurück und verließ die Hütte. Draußen blickte sie in den strahlend blauen Himmel, der sich im Westen langsam rötlich färbte, und atmete tief durch. Amber war so sicher gewesen, dass Nolen nicht ins Lager kommen würde, weil er sich zu weit von der Gruppe und seinem menschlichen Teil entfernt hatte, und doch war er jetzt hier, aus Liebe zu seiner Tochter. Es erstaunte sie immer wieder, wozu die Liebe einen befähigte.
Sie spürte, wie Keira hinter ihr aus der Hütte trat, und drehte sich rasch um. Sie hatte Finns Warnung nicht vergessen, sich möglichst von seiner Schwester fernzuhalten, aber sie erinnerte sich auch an Keiras betroffenen Gesichtsausdruck, als er sie so hart anging. „Ich hoffe, es geht den anderen gut.“
Keira schien einfach weggehen zu wollen, blieb dann aber doch vor ihr stehen. Sie zuckte mit den Schultern. „Es sind gute Kämpfer.“
Jamila versuchte ein Lächeln. „Ja, das sage ich mir auch die ganze Zeit, aber es hilft nicht. Niemand ist unverwundbar, und wenn die Menschen Gewehre haben …“
„Anscheinend denkt unser Ratsführer, dass sie es schaffen können. Sonst hätte er mich nicht hiergelassen, um den Babysitter zu spielen.“
Ärger stieg in Jamila auf, aber sie bemühte sich, ruhig zu klingen. „Du weißt, dass er das Lager gut beschützt wissen wollte. Sei doch froh, dass er dir so eine wichtige Aufgabe zuteilt.“
„Ich verzichte auf solche Almosen! Ich bin seit zwölf Jahren Wächterin, ich habe es verdient, bei einem Kampf dabei zu sein. Nein, mein lieber Herr Bruder wollte mich einfach nur bestrafen, das ist alles.“ Es sollte vermutlich verächtlich klingen, aber an dem Zittern in Keiras Stimme erkannte Jamila, dass sie eher verletzt war.
„Warum sollte er dich bestrafen wollen? Du bist seine Schwester, und er liebt dich.“
Keira stieß ein schnaubendes Lachen aus. „Hat er dir das gesagt? Wohl kaum. Halt dich doch einfach da raus und spiel weiter Mutter Theresa für unsere Kranken.“
Jamila ballte die Hände hinter ihrem Rücken zu Fäusten. „Ich weiß nicht, was für ein Problem du hast, aber du solltest froh sein, dass du noch einen Bruder hast. Und den Rest deiner Familie und der Gruppe. Du hast keinerlei Vorstellung davon, wie es ist, wirklich allein zu sein.“
Nach diesem Ausbruch schwieg Keira lange Zeit. In ihren dunkelgrünen Augen lag ein Ausdruck, den Jamila nicht deuten konnte. Schmerz? „Glaubst du?“ Damit drehte sie sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
Jamila stieß einen tiefen Seufzer aus und rieb mit den Fingern über ihre schmerzenden Schläfen. Wunderbar. Sie hätte auf Finn hören und Keira so weit wie möglich aus dem
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