Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
der McCullough Range. Coyle blickte sich um und fragte sich, wie es der Wandlergruppe gelungen war, sich in dieser kargen Landschaft vor den Menschen zu verstecken. Aber vermutlich lebten sie einfach die meiste Zeit in Berglöwenform.
Langsam drangen sie in das Gebiet ein, und Coyle hatte Mühe, nicht bei jedem Schritt vor Schmerzen aufzustöhnen. Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis sie von einer Gruppe Berglöwenwandler eingekesselt waren.
Coyle blieb ruhig stehen und sah den Berglöwen an, der nach Sawyer roch. »Das hier ist Harken, er will euch kennenlernen.«
Ein Grollen ertönte, das nach einem scharfen Blick von Sawyer erstarb. Der Anführer der Berglöwengruppe ließ sich Zeit zu entscheiden, ob er mit ihnen reden wollte. Coyle konnte es ihm nicht verdenken. Sie selbst hatten auch nicht gerade positiv reagiert, als Harken einfach in ihrem Lager aufgetaucht war. Ärger stieg in Coyle auf, als er sich daran erinnerte, wie Harken Marisa ausgenutzt und getäuscht hatte. Harken warf ihm einen Blick zu, als wüsste er genau, was Coyle dachte. Coyle presste seine Lippen aufeinander, um ihm nicht seine Zähne zu zeigen. Seit Marisa verletzt worden war, fiel es ihm immer schwerer, seine tierische Seite zu unterdrücken. Er wollte den oder die Verbrecher, die dafür verantwortlich waren, aufspüren und sie zerreißen … Eine Berührung an seinem Arm ließ ihn aufblicken.
»Bleib ruhig, auch wenn es dir schwerfällt. Wir werden den Drahtzieher finden und dafür sorgen, dass er niemandem mehr schaden kann.« Harkens Stimme klang leise, aber bestimmt.
Coyle schüttelte den Kopf, um ihn zu klären, und zuckte zusammen, als Schmerz durch seinen Körper fuhr. Mühsam brachte er sich wieder vollständig unter Kontrolle und atmete tief ein. Bevor er etwas sagen konnte, verwandelte Sawyer sich und trat zu ihnen.
Er betrachtete Coyle von oben bis unten. »Was ist mit dir passiert?«
»Unser Wagen wurde von der Straße gedrängt. Marisa wurde schwer verletzt.« Seine Stimme brach.
»Verdammt!« Sawyer strich durch seine zerzausten rotbraunen Haare. »Es können nicht die drei Männer gewesen sein, die das Haus überfallen wollten, wir haben sie erst heute Morgen in der Wildnis ausgesetzt. Das heißt, es müssen noch weitere Verbrecher in der Gegend gewesen sein, die wir nicht bemerkt haben. Braucht ihr Hilfe, sie zu suchen?«
»Nicht nötig, sie sind tot.« Das Grollen in Coyles Stimme deutete an, dass der Berglöwe bereits wieder dicht unter der Oberfläche war. Er musste sich dringend wieder unter Kontrolle bringen.
Sawyer sah ihn mitfühlend an. »Habt ihr jemanden, der sich um deine Gefährtin kümmert?«
Coyle schob seine Hände in die Hosentaschen, damit niemand sah, wie sehr sie zitterten. »Einer unserer Wächter wird auf sie aufpassen. Sie ist in Las Vegas im Krankenhaus und wird wohl länger dort bleiben müssen. Aber immerhin ist sie wieder aufgewacht.«
»Und Keira?«
Wenn Coyle nicht so um Marisa besorgt gewesen wäre, hätte er die Art, wie Sawyer den Namen aussprach, lustig gefunden. »Keira ist derzeit noch dort, aber sie wird bald abgelöst.«
Etwas lag in Sawyers braunen Augen, das Coyle nicht recht deuten konnte. »Dann geht sie danach wieder zurück in euer Lager in Kalifornien?«
»Nein, sie begleitet zuerst Isabel nach Los Angeles. Je nachdem, ob Isabel dort noch Gefahr droht, könnte sie länger bleiben.«
Harken räusperte sich.
Sawyers Augen verengten sich, während er ihn anblickte. »Und was genau bist du? Ich kann deinen Geruch nicht zuordnen.«
»Ich bin ein Wandler wie ihr.«
Coyle konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. »Also ich kann mich nicht unsichtbar machen.«
Harken ignorierte ihn genauso wie die unruhigen Bewegungen der Berglöwen. »Ich will den Mann unschädlich machen, der hinter der Jagd auf die Wandler steckt. Doch ich weiß noch nicht, wer er ist, deshalb brauche ich jede Hilfe, die ich bekommen kann. Vor allem möchte ich, dass sich die einzelnen Wandlergruppen vernetzen und zusammenarbeiten, wenn es darum geht, Bedrohungen auszuschalten.«
Sawyers Gesicht schien wie aus Stein gemeißelt. »Ich glaube nicht, dass wir dabei groß helfen können.« Er deutete auf die sie umgebenden Berglöwen. »Das ist mehr oder weniger die ganze Gruppe. Wir verfügen weder über große Mittel noch über Kontakte. Nicht mal ein Telefon haben wir, es dürfte also schwierig sein, uns zu erreichen.« Er verschränkte seine Arme über der Brust und sah Harken an.
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